Selected Reviews 2005 (A-M)


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Ich habe weder Platz noch Zeit, allen Filmen eine eigene Seite zu widmen. Andererseits sind Ein-Satz-Kritiken für viele Filme auch wieder zu schade. Deshalb hier, für ein paar ausgewählte Filme, mittellange Kritiken. Achtung: Warten, bis die Seite ganz geladen ist. Lange Wartezeit.

 

Die Filme:
13, The 40-Year-Old Virgin
Antikörper
Be Cool
Brokeback Mountain
Capote, Cinderella Man, The Constant Gardener, Corpse Bride
The Descent, The Dukes of Hazzard
Elektra, Elizabethtown, Everything Is Illuminated
Flightplan
Herbie: Fully Loaded, Hide and Seek, Hitch, Hostage,
Hostel
In Her Shoes
Jarhead
Kiss, Kiss, Bang, Bang
Last Days, A Lot Like Love
Madagascar, Mein Name ist Eugen, Miss Congeniality 2: Armed and Fabulous, Monster-in-Law, Must Love Dogs
The Pacifier, Pride & Prejudice
Red Eye, The Ring Two, Robots
Stay
Undercover, The Upside of Anger
Wedding Crashers, Wold Creek
Zathura

 

 


13 (Tzameti) F/Georgien 2005
Thriller
Reviewed 5.4.06

Regie und Buch: Gela Babluani
Mit:
Georges Babluani, Aurélien Recoing, Pascal Bongard, Fred Ulysse, Nicolas Pignon, Vania Vilers

Die Euphorie um diesen Film kann ich nicht nachvollziehen: Ausgezeichnet in Venedig und beim Sundance Festival, gekrönt mit Maximalbewertungen von führenden britischen Filmzeitschriften. "The Guardian" zieht in seinen zwei Kritiken sogar zwei Filme von David Fincher zum Vergleich heran: "13 is nearly twice as good as Seven" und "like David Fincher's Fight Club, but with what is a more satisfying final act". Beide Aussagen sind völliger Quatsch und zeigen eigentlich nur, welch einschneidende Wirkung Finchers Filme auf die Kritikerwelt hat. Jeder, der was auf sich hält, vergleicht das "nächste Meisterwerk"™ mit einem Film von David Fincher. Was sagt uns das?

Ich schau mir jedenfalls noch dreimal einen Film von David Fincher an. Jeder von dessen bisherigen Filmen schlägt den eher als Versuchsanordnung konzipierten "13" um Längen. Aber, und nun muss ich den Film doch loben, das Spielfilmdebüt des Georgiers Géla Babluani ist faszinierendes Kino. Sein Bruder George Babluani spielt die Hauptrolle des georgischen Einwanderers Sébastien, der das Dach eines maroden Hauses repariert. Der Besitzer des Hauses, der Morphium-süchtige Godon (Philippe Passon), segnet bald das Zeitliche, hinterlässt aber einen Brief, in dem die Rede von grossen Verdienstmöglichkeiten ist. Der verarmte Sébastien nimmt den Brief an sich und folgt den Instruktionen. Verfolgt von der Polizei macht er sich auf den Weg in die Provinz, wo ein makabres Spiel auf ihn wartet.

Mehr sei nicht verraten. Ich weiss, dass ist etwas naiv: Andere Kritiker werden das für euch erledigen - selbst die DVD-Verpackung spoilert eigentlich alles. Dadurch geht aber schon mal eine Überraschung flöten, die den Film vom Sozialdrama zum knallharten Psychothriller macht. Doch genau dieses Spiel, das da im Wald stattfindet, liess mich erstaunlich kalt. Wo andere Reviewer von extrem spannendem Material reden, blieb ich distanziert. Gefilmt sind die Szenen, wie der ganze Film, zwar famos: Babluani setzt die schwarzweissen Abbilder von zerfallenden Häusern und schwitzenden Menschen sensationell um. Alleine für die Bildsprache verdient "13" Applaus. Teilweise auch für die Akteure, wenngleich Hauptdarsteller George Babluani eigentlich nie in seine Figur hinein blicken lässt und sein Schwanken zwischen Faszination und Panik nie richtig durchschaubar wird.

Und da beginnen die Probleme. Die Charaktere sind kaum eingeführt - weder Sébastien noch seine Mitspieler noch die Männer im Hintergrund. Die Motivation, die sie antreibt, ist nicht sichtbar und deshalb ist das Spiel um Leben und Tod auch nicht ganz so packend, wie es sein könnte. Kommt dazu, dass der Ausgang eigentlich von Vorneherein klar ist. Und noch schlimmer: Die Regeln des Spiels sind nicht definiert. Ich meine nicht nur deutliche Spielregeln wie in "Fight Club", sondern selbst banale Dinge. Wir kennen das zum Beispiel von der Leichtathletik: Da rennt beim 100-Meter-Lauf einer los, bevor der Schuss abgeht. Wie verhindert man im Filmspiel einen solchen Frühstart? Ich finde dies eine elementare Frage, denn jeder vernünftige Mensch würde sich in Georges Position einen Frühstart erlauben, um seine Überlebenschance zu verbessern.

Es hat mehrere solcher Szenen, bei denen ich das Gefühl hatte, sie seien nicht ausgereift. Und der Schluss enttäuscht. Nichts gegen ein düsteres Ende, aber es ist fast schon selbst erfüllender Nihilismus. "Wir brauchen ein tristes Ende". Schwupps. Was daran befriedigender sein soll, als "Fight Club", lieber Guardian, das würde ich schon noch gerne wissen.

Ich möchte dem Film nicht Unrecht tun. Es ist ein packendes Low-Budget-Debüt mit schönen Metaphern, starken Bildern, eindrücklichen Momenten und heftigen Ideen. Doch es ist nicht der Überflieger, für den ihn die halbe Kritikerwelt hinstellt. Und wenn jeder meint, er müsse, um die Genialität des Films zu unterstreichen, ihn als "X mal so gut wie Fincher-Film Y" hinstellen, dann reagiere ich eh aggressiv. Das ist nicht die Schuld des Films, aber des ganzen, aus dem Ruder gelaufenen Hypes. "13" ist gut und eindringlich und seinen Regisseur sollte man unbedingt im Auge behalten. Das ist das grösste Lob, dass ich ihm aussprechen mag.

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BBC (GB) 4/5
Total Film (GB) 4/5
Empire Magazine (GB) 4/5
Slant Magazine (USA) 2/4
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The 40-Year-Old Virgin USA 2005
Komödie
Reviewed 9.9.05

Regie und Buch: Judd Apotow
Buch und Executive Producer: Steve Carell
Mit: Steve Carell, Catherine Keener, Paul Rudd, Romany Malco, Seth Rogen, Elizabeth Banks, Leslie Mann, Jane Lynch

Steve Carell ist hierzulande keine feste Comedy-Grösse. Er ist vielleicht als Kommentator der Comedy-News-Show "The Daily Show" aufgefallen, oder bei seinem Kurzauftritt in Bruce Almighty. Richtig cool war er jedoch als dümmlicher Wetteransager in der kultig schrägen Komödie "Anchorman". Dessen Produzent Judd Apotow griff denn für sein Regiedebüt "The 40-Year-Old Virgin" auf Carell zurück - und mit diesem Film dürfte er den verdienten Durchbruch schaffen. Die schlüpfrige Comedy wird als legitimer Nachfolger von "There's Something about Mary" gefeiert. Und dies zu recht. Er ist die R-Comedy, die Wedding Crashers gerne gewesen wäre: frech, direkt, etwas pervers, saumässig komisch und trotzdem herzlich. 

Carell spielt die titelgebende Jungfrau Andy Stitzer. Er arbeitet in einem Elektrogeschäft, sammelt Comicfiguren, kleidet sich konservativ, fährt mit dem Bike zur Arbeit, lebt gesund - und langweilig. Keine Frau, keine Freundin, kein Sex. Nicht dass er keine haben möchte - aber wie die Tagline so schön sagt "The Longer You Wait, The Harder It Gets". Nunmehr 40 Jahre alt, getraut er sich schon gar nicht mehr, eine Frau anzumachen. Eines Abends pokert er mit seinen Sex-erfahrenen Geschäftskollegen David (Paul Rudd), Jay (Romany Malco) und Cal (Seth Rogen) - und sie entdecken sein Geheimnis. Fortan versuchen sie verbissen, seine Entjungferung voranzutreiben. Die Rettung ist tatsächlich in Sicht, als ihm die hübsche Grossmutter Trish (Catherine Keener), die den "I sell your stuff on eBay"-Shop gegenüber bertreibt, ihm seine Nummer gibt.

Dass er trotzdem nicht so einfach unter ihr Laken kommt, ist klar. Vollgekotzte Dates, schlecht behandelte Kondome, Morgenlatten und noch eine Vielzahl anderer Hindernisse liegen noch zwischen Andy und seinem Ziel. Etliche der Episoden, die er erlebt, sind zum Schreien komisch. Perfekt ist etwa die Enthaarungsszene, für die Carell übrigens seinen echten, buschigen Brusthaarwuchs mit Wachs entfernen liess. Das schmerzt beim Anschauen - und Ablachen. Ebenso wunderbar eine Szene zwischen Cal und David, in der sie sich ""I know you're gay because"-Sätze an den Kopf werfen und die Sequenz trotzdem nie homophob wird. Unter die Gürtellinie geht es andauernd, dank detailverliebten Schilderungen von Sexualpraktiken (ein Inder im Laden ist besonders gut darin), dank den einfallsreichsten Fluch-Tiraden, den billigsten Aufrissmethoden und den krudesten Sex-Gags. Manche davon sind voraussehbar, andere neuartig, wieder andere schlicht genial.

Doch was den Film letztendlich von gängigen Genre-Kollegen unterscheidet, ist sein Herz. Ich ahne, dass europäische Kritiker das "Abdriften in den Schmalz" gegen Schluss nicht so goutieren werden, aber für mich zeigt dies, dass den Machern die Figuren am Herzen lagen. Und das ist, wenn man nicht eine Nonsens-Comedy im Monty-Python-Stil dreht, noch immer eine Voraussetzung für das Gelingen einer Komödie. Das gilt gleich doppelt für vulgäre Komödien. Wenn man nur über einen Protagonisten lachen kann und ihn nie als Menschen ansieht, dann versanden die Pointen. In "The 40-Year-Old Virgin", genauso wie in "There's Something about Mary" oder "American Pie", bauen wir eine Sympathie-Beziehung auf und freuen uns über Erfolge. Das läuft ins Schmalzige, bleibt aber stets amüsant.

Mit fast zwei Stunden Lauflänge fiel der oben zitierte Wedding Crashers arg auf die Nase. Und auch für diesen Film ist es etwas zu lang - aber "The 40-Year-Old Virgin" gehört für mich dennoch zu den bisherigen Ablach-Highlights des Jahres. Der Hauptdarsteller ist köstlich, die reife (45-jährige) Catherine Keener goldig, die Gags köstlich derb, die Mitarbeiter im Laden klasse, die "Hair"-Verarsche am Ende schlicht brillant und die Sex-Gags im Leben eines Versager-Geeks gar nicht so weit her geholt. Wer wieder mal herzhaft lachen will, ist hier jedenfalls bestens aufgehoben. Nur stark behaarte Männer, die an eine Körper-Enthaarung denken, sollten dem Werk vorsichtshalber fern bleiben.

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Roger Ebert (USA) 3½/4
James Berardinelli (USA) 3½/4
BBC (GB) 3/5
Slant Magazine (USA) 2½/4
imdb


Antikörper D 2005
Thriller
Reviewed 23.6.05

Regie, Buch und Co-Produktion: Christian Alvart
Mit: Wotan Wilke Möhring, Heinz Hoenig, André Hennicke, Ulrike Krumbiegel, Hauke Diekamp, Nina Proll, Jürgen Schornagel, Norman Reedus

Das deutsche Kino ist nicht gerade für seine Killer-Thriller bekannt, sieht man von Klassikern wie "M" und "Es geschah am hellichten Tag" ab. Umso willkommener ist deshalb "Antikörper", ein harter Serienkiller-Stoff von Jungregisseur Christian Alvart. Doch während es an dem Streifen sehr viel zu mögen gibt, hinterlässt er einen schalen Nachgeschmack - vor allem, weil den Filmemachern zum Schluss das Material entgleitet und der Film rabiat abstürzt. Am Anfang deutet noch nichts darauf hin. Da bedient sich der Film beim Regen-Look von "Seven" und bietet einen etwas holprigen, aber überzeugenden Start. Wir erfahren von Gabriel Engel (André Hennicke), einem Serienkiller, der rund ein Dutzend Kinder umgebracht hat. Dem Berliner BKA-Beamten Seiler (Heinz Hoenig) gelingt es, das Monster zu verhaften. Nicht minder holprig wirkt erst die Einführung des eigentlichen Helden, Wotan Wilke Möhring als ostdeutscher Land-Polizist Michael Martens. Die Dialoge kommen etwas gestelzt daher, mancher Schauspieler noch nicht ganz sattelfest.

Doch das dauert nur ein paar Minuten an, dann merkt man, dass dieser Ansatz System hat. Plötzlich ist man voll drin im Geschehen und die erste Filmhälfte erweist sich als die beste des Werks. Martens, in dessen Dorf ein Mädchen ermordet wurde, will wissen, ob Engel wirklich der Täter war, und reist nach Berlin. Dort baut der Killer ein Verhältnis mit dem etwas tollpatschigen, hochreligiösen Cop auf - eines, das deutlich an "Silence of the Lambs" erinnert (unbeholfener Polizist interviewt inhaftierten Serienkiller und wird quasi selbst analysiert). Doch um Parallelen gleich zu entschärfen meint Engel gewitzt "Wen hast du erwartet? Hannibal Lecter?" Alvart ist sich der Parallelen also bewusst und weicht schnell vom Schema ab. Die dörfliche Idylle von Martens Heimat und die hinter der Fassade versteckte Angst und Seelenpein rückt ins Zentrum. "Antikörper" entwickelt in diesen Minuten einen enormen Sog, baut falsche Fährten und düstere Vorahnungen auf.

Zudem ist der Film enorm ruppig. Heinz Hoenig gebraucht andauernd das Wort "Wichser", André Hennicke liebend gerne "ficken". Etwas zu angestrengt versucht Alvart, seinem Film einen "rough edge" zu geben, in abzuheben vom Einheitsbrei, indem er verbal derart aggressiv ist - doch der Effekt ist deftig. Besonders in einer Szene, in der Engel den Bullen seinen ersten Mord und die Vergewaltigung des Buben schildert. Dabei holt er sich doch glatt einen runter. Sex ist denn auch sonst omnipräsent, sei es im Berliner Rotlichtviertel oder als Teil der moralischen Korrumption unseres properen Helden. Auch hier manchmal etwas zu verkrampft ("fick mich in den Arsch") auf Kontrast zur vermeintlichen Naivitität und Idylle des Landlebens, doch das ist schliesslich Teil des Drehbuchs. Je mehr Martens nämlich vom "Bösen" umgarnt wird, umso grösser wird sein Dilemma.

Hier beginnt der Film zu stottern. Plötzlich gibt es gar nicht mehr so viele Verdächtige und die Lösung des Falles ist mit zu vielen Logiklöchern behaftet. Zudem ist sie voraussehbar. Um dem Zuschauer trotzdem nochmals den Boden unter den Füssen wegzuziehen, guckt Alvart ein paar Mal mehr zu "Seven" - diesmal inhaltlich, nicht visuell. Doch wo David Finchers Meisterwerk konsequent war, drückt sich "Antikörper" um einige wichtige Fragen. Es fehlt auch der Background des Killers. Wieso die Kreuze? Warum gerade Quadrate an den Wänden? Warum die Fixierung auf Martens? Einiges davon wird angedeutet, aber es scheint, als zitiere Alvart hier nur Genre-Konventionen, anstatt wirklich in die Figur des Killers einzutauchen. Der diabolische Hennicke gleicht das durch sein sadistisches Spiel aus, doch ganz vermag er den Mangel an Figurenzeichnung nicht zu kaschieren.

All das schwächt den Film ab. Komplett daneben griff Alvart jedoch bei der religiösen Stilisierung. Schon früh wird die ostdeutsche Gemeinde als erzkatholisch gezeigt, was sehr reizvoll ist. Denn man vermutet hinter der proper-religiösen Fassade etliche Sünden. Alvart spielt damit, nutzt es aber später nicht aus. Vielmehr werden mit schwerem Voice-Over-Geschütz Parallelen von Martens Schicksal mit jenem einer hier nicht genannten Bibel-Stelle (das wäre ein Spoiler sondergleichen) gezogen, die nicht funktionieren wollen. Den Vogel schiesst eine Szene ab, die mit ähnlich schwach animiertem Waldgetier wie in Ring Two endet. Da knorzen die Drehbuchkniffe und der Film verschenkt sein Potenzial. All die Subplots von vorhin, die nun vergeudet wirken, verstärken auch das Gefühl, der Film sei mit 126 Minuten zu lang.

Aber von dem missratenen Ende, einiger fehlender Charakterisierung und moralisierenden Stolpersteinen sollte man sich nicht abschrecken lassen. "Antikörper" schafft das Wichtigste: Er ist spannend. Und trotz teils heftiger Anleihen bei "Seven" und "Silence of the Lambs" erarbeitet er sich eine Eigenständigkeit, die die Geschichte zum Mitfiebern aufwertet. Auch schauspielerisch gibt es kaum etwas zu beklagen - Möhrings Bauerncop ist ebenso überzeugend wie Hoenigs grosschnäuziger Grossstadt-Bulle und Hennickes Killer. Brillant auch Ulrike Krumbiegel als Martens' leidgeprüfte Gattin und Jürgen Schornagel als unausstehlicher Schwiegervater. Das ist starkes Schauspiel in einem ansatzweise starken Thriller. Von einer verpassten Chance möchte ich nicht reden, denn dafür ist der Film zu gut. Vielmehr ist der Satz "es hätte noch mehr drin gelegen" hier mal wieder angebracht. Trotzdem "thumps up" und weiter so, Herr Alvart.

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Cinema (D) 5/5
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Be Cool USA 2005
Komödie
Reviewed 16.3.05

Regie und Executive Producer: F. Gary Gray
Buch: Peter Steinfeld nach einem Roman von Elmore Leonard
Produktion: Danny DeVito, Michael Shamberg, Stacey Sher, David Nicksay
Mit: John Travolta, Uma Thurman, Vince Vaughn, Christina Milian, Cedric the Entertainer, Andre 3000, Harvey Keitel, The Rock, Steve Tyler, Robert Pastorelli, Debi Mazar, Danny DeVito, James Woods, Fred Durst, RZA, Wyclef Jean, Sergio Mendes, The Black Eyed Peas

Obwohl im Titel das Wort "cool" vorkommt, ist "Be Cool" in Sachen Coolness meilenweit hinter seinem Vorgänger "Get Shorty" von 1995 anzusiedeln. Barry Sonnenfelds relaxte Gangsterkomödie ritt damals genüsslich auf der "Pulp Fiction"-Welle und baute den Romanen von Elmore Leonard eine cineastische Nische. "Get Shorty" hatte Stars und Style. Die Fortsetzung hat nur noch Stars. Regisseur F. Gary Gray ("The Negotiator", "The Italian Job") hat aber keine Ahnung, was er mit diesen machen soll. "Be Cool" ist denn auch einer der am schlechtesten montierten Mainstreamfilme, die Hollywood in letzter Zeit vom Stapel gelassen hat. Der Rhythmus stimmt nicht, die Länge der Szenen wirkt falsch, das Timing ist daneben. Dass es in einem Film, bei dem der Beat komplett fehlt, ausgerechnet um Musik geht, ist ironisch.

Der Plot, sofern man diesmal davon reden kann, basiert erneut auf dem Roman von Elmore und präsentiert uns Chili Palmer (John Travolta) als erfolgreichen Filmproduzenten. Doch er hat genug von Sequels und Schrott - er will etwas Neues wagen. Wie Musik produzieren. Die Chance ergibt sich, als die Russen-Mafia seinen Freund Tommy Athens (James Woods) umlegen. Athens leitete mit seiner Frau ein Musikstudio, in das Chili einsteigen will. Also hängt er sich an die Gattin ran: Edie Athens (Uma Thurman). Er überredet sie, ein Mädchen unter Vertrag zu nehmen, das er entdeckt hat. Sie heisst Linda Moon (Christina Milian) und hat eine Wahnsinnsstimme. Edie ist zwar fast pleite, aber begeistert. Die Sache hat nur ein paar Haken: Linda steht unter Vertrag beim Schnösel Raji (Vince Vaughn), der redet wie ein Schwarzer und einen schwulen Leibwächter namens Elliot (The Rock) hat. Rajis Partner ist der Musikmagnat Nick Carr (Harvey Keitel). Der schickt Chili auch prompt einen Killer (Robert Pastorelli) auf den Hals. Als wäre dies nicht genug, ist auch noch die Russenmafia hinter Chili her, genauso wie der Musikproduzent Sin LaSalle (Cedric the Entertainer) mit seiner schiessbereiten Dub MC-Gang.

Es gibt ein Durcheinander, Dinge geschehen, fertig. Wirklich nichts, was nur halbwegs spannend oder intelligent wäre. Also lastet alles auf den Schultern der Akteure, der Dialoge und der Coolness. Letzteres, das habe ich bereits angetönt, scheitert masslos. Der Rest genauso. "Be Cool" ist nicht cool, so verkrampft er es auch versucht. Nur John Travolta spielt manchmal den Schatten seiner "Get Shorty"-Coolness. Alle anderen sind traurige Gestalten. Die Film-Anspielungen bei "Get Shorty" trugen zur Coolness bei, die Musik-Anspielungen in "Be Cool" zu seinem Scheitern. Das beginnt bei Linda Moon. Man sieht, wie die harten Rapper zu ihrem Gesang wippen, wie Steve Tyler von Aerosmith begeistert ist - dabei trällert sie irgendwelchen 08/15-R&B-Quatsch. Wieso alle so drauf abfahren sollen, bleibt ein Rätsel. Dann kann sich Gray auch nicht auf einen Stil festlegen. Nur R&B, das wär halt schon zu wenig cool, also bringt er immer wieder Rap, Rock, Hiphop - ohne Plan, ohne Programm, ohne Stil. Filme über Musik haben zudem das Problem, dass der Plot immer wieder durch ein Lied unterbrochen werden muss. Anders als etwa bei einem Musical geschieht dies jedoch auf unfokusierte und anbiedernde Weise.

Oh, anbiedernd. Das ist "Be Cool" von A bis Z. Seine Sprache, seine Figuren, seine Musik, alles ist geschaffen, um der MTV-Generation zu gefallen. Und genauso hohl kommt es daher. Nicht einmal die Schauspieler fühlen sich wohl bei der Sache. Uma Thurman schleppt sich durch die Rolle, Steve Tyler ist in seinem Debüt eine peinliche Angelegenheit, Christina Milian ist zum Gähnen, Vince Vaughn nach ein paar Minuten nur anstrengend. Die einzigen, die wirklich gut wegkommen, sind Travolta und The Rock. Letzterer kommt als schwuler Möchtegern-Schauspieler aber zu wenig zum Zug. Und wenn, dann weiss Gray nicht, wie er die Szene am besten cutten soll, wann er die Punchline bringen muss. Damit bin ich wieder beim Anfang: Furchtbar geschnitten, es fehlt der Beat.

An folgender Szene lässt sich sehr gut zeigen, was nicht funktioniert: Travolta und Thurman sind in einer Disco. Die Black Eyed Peas singen. Die beiden beschliessen, das Tanzbein zu schwingen. Yeah! "Pulp Fiction Revisited". Doch es sind nur zwei Menschen, die tanzen. Keine Magie, kein Stil. Schon die Musik ist falsch. Es lohnt sich nicht, eine momentan erfolgreiche Band aufspielen zu lassen. Ich mochte den Peas-Song nicht besonders, doch darum geht es nicht einmal. Es geht darum, dass Tarantino einen alten Song genommen hat. Einen hippen Retro-Song. Nicht Mainstream-Geleier. Und dann hat er die beiden tanzen lassen, die Kamera blendend eingesetzt - hier tänzeln sie nur. Und dann ist die Szene fertig. Ohne Payoff. So verpufft in "Be Cool" einfach alles. Selbst die Gewalt. An etlichen Stellen gibt es Tote und Verletzte oder jemand spielt mit Waffen - doch das Resultat ist weder brutal noch lustig noch grotesk. Der Film ist schliesslich PG-13, da darf die Gewalt nur in der Luft hängen.Und so fehlt jedes Mal der Payoff. Wenn ein Russe Cedric "Nigger" schimpft, wenn Andre 3000 immer wieder mit der Waffe spielt, wenn Vince Vaughn in Flammen aufgeht - alles passiert in einem Stil, der grauenhaft unmotiviert rüberkommt. Alles auf das PG-13-Rating zu schieben, wäre ungerecht. Der Fehler liegt beim Autor, beim Regisseur und beim Cutter. Alle drei versagen, dass sich dieBalken biegen. Das 13er-Rating sorgt immerhin für einen der besten Jokes im ganzen Film: Bei PG-13 darf man einmal "fuck" sagen. Das erklärt Travolta am Anfang und sagt gut hörbar "fuck!" - danach kommts im ganzen Film nie wieder vor. Und damit hat der Film bereits in den ersten Minuten seinen Zenit überschritten. So viele Stars, so wenig Spass. So wenig Cool.

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Roger Ebert (USA) 1½/4
James Berardinelli (USA) 2/4
Slant Magazine (USA) 1/4
imdb


Brokeback Mountain USA 2005
Liebesdrama
Reviewed 20.12.05

Regie: Ang Lee
Mit: Heath Ledger, Jake Gyllenhaal, Michelle Williams, Anne Hathaway, Randy Quaid, Linda Cardellini

Ich mag den Film, er gehört ganz klar zu den beachtlichsten des Jahres 2005. Doch all den Hype um das Liebesdrama kann ich nicht nachvollziehen - der Goldenen Löwe in Venedig, einige der wichtigsten US-Kritikerpreise, etliche Golden-Globe- und bald wohl auch Oscar-Nominationen - das alles suggeriert ein Meisterwerk von zeitloser Art. Dies ist "Brokeback Mountain" kaum. Vielmehr ein grandios gespieltes, souverän inszeniertes und gefühlvoll erzähltes Cowboy-Drama, das bei den liberalen Kritikern wohl einfach ein paar Pluspunkte bekommt, weil unsere Helden schwul sind. Immerhin ist es der erste grosse A-List-Hollywoofilm, der sich um nichts anderes dreht, als um eine schwule Liebesbeziehung.

Wahnsinnig revolutionär ist dies allerdings nicht, es war höchstens langsam Zeit. Ang Lee packt die Beziehung ebenso nüchtern wie direkt an und rüttelt dadurch sicher ein paar Rednecks wach - doch für einen offenen Geist bietet der Film nicht viel Neues. Darum betrachte ich ihn als das, was er ist und als als das ihn Lee auch nach eigenem Bekunden gesehen haben möchte: ein Liebesdrama. Und zwar eines, das von unerfüllter Liebe berichtet, von Verlangen, das sich über Jahre hinweg zieht. Und von einem mystischen Ort, an dem die Liebe zeitweilig ihre Erfüllung findet. Nicht wenige Kritiker ziehen deshalb Parallelen zu "Gone With the Wind" mit seiner unerfüllten Liebe und dem beinahe paradiesischen Tara. Doch Lees Film ist intimer, echter und eigentlich auch etwas banaler.

Er beginnt 1963, als die Cowboys Ennis (Heath Ledger) und Jack (Jake Gyllenhaal) am Brokeback Mountain in Wyoming Schafe durch die Berge treiben. In der Einsamkeit kommen sie sich näher und haben Sex. Nachdem ihr Boss (Randy Quaid) den Auftrag beendet, trennen sich die Wege der beiden. Der schüchterne Ennis heiratet die unscheinbare Alma (Michelle Williams), während sich der impulsive Jack die hübsche Rodeo-Königin Lureen (Anne Hathaway) anlacht. Doch alle paar Monate treffen sich Jack und Ennis wieder, um in den Brokeback Mountains ihrer Liebe und ihrer Lust zu frönen.

Das "Problem" dabei ist, dass ich eher letzteres sah, als ersteres. Zwar ist es schon in der Kurzgeschichte von Pulitzer-Preis-Gewinnerin Annie Proulx ("The Shipping News") so, dass das animalische, etwas verruchte Element im Vordergrund steht (mehr noch als im propereren Film), doch dabei fehlt mir manchmal die Liebe, von der alles ausgehen soll und die das Filmplakat vollmundig als "force of nature" anpreist. Es hat auch seinen Reiz, die Beziehung von Jack und Ennis später als vergebliche Suche nach Jugend und Freiheit zu interpretieren, doch Lee macht es deutlich, dass diese zwei hemmungslos ineinander verliebt sein sollten. Ausserhalb des heiss inszenierten Sex' geht mir das aber ab und zu verloren - da kann Heath noch so verloren dreinschauen.

Da diese Liebe zu wenig deutlich herausgearbeitet wurde, ist es auch problematisch, die beiden so unsympathisch zu machen. Das werden sie dadurch, dass sie ihre Frauen zurücklassen - beide übrigens brillant dargestellt. Vor allem Michelle Williams' Alma tut einem so leid, dass das Drama dadurch vielschichtiger, aber Heaths Charakter auch unsympathischer wird. Klar ist er gefangen in den moralischen Zwängen seiner Zeit, klar rutschte er eher ungewollt in diese Hetero-Beziehung, doch deshalb andauernd "fishing with Jack" (was nach diesem Film zum geflügelten Wort werden dürfte) einzuschieben, macht ihn egoistisch. Wenn das Ang Lees Ziel war, dann verliert die Beziehung einiges an Kraft.

Vielleicht hacke ich zu sehr auf dem Punkt herum. Aber mir lief alles zu mechanisch ab. Der Film überraschte mich nie. Das wäre aber dringend nötig, um über den Status "guter Film" hinauszuwachsen. Also was macht ihn dann immerhin gut?

Heath Ledger. Sein Murmeln ist anfänglich etwas anstrengend, aber er spielt brillant. Sein Dilemma zwischen John-Wayne-Image und verpöntem, ja wegen einer Kindheitserinnerung sogar gefürchteten gay Sex ist richtig gehend spürbar. Jake Gyllenhaal steht ihm in nichts nach. Unter einem Cowboyhut ist er vielversprechende Jungstar schon vor der ersten Sexszene unterschwellig lüstern und später sorgt er als aktivere Kraft des Duos (ein interessantes Rollenspiel übrigens, da beim Sex Heath die "männlichere" Rolle spielt) für die Energie der meisten Szenen.

Die anderen Akteure sind nicht minder fulminant. Hathaway und Williams spielen besser als je zuvor und der schwabbelig gewordene Randy Quaid gibt den Redneck bestens. Auch die Marlboro-Ästhetik fasziniert. Zwar sind die Bilder etwas hemdsärmlig umgesetzt, doch Tausende von Schafen in dieser Landschaft zu sehen, hat auf jeden Fall etwas Faszinierendes. Ganz nebenbei: Welcher echt männliche Cowboy treibt schon Schafe herum? Rinder ja, aber Schafe? Die mussten ja schwul sein ...

Und auch die Geschichte hat eben ihren Reiz. Sei es die letzte, subtil berührende Szene in Jacks Haus, sei es die Suche nach Liebe, nach Freiheit, nach jugendlicher Unbekümmertheit in einer Zeit, die diese Qualitäten ausmerzen will. Das Verlangen nach diesem einfachen Leben mit einem "buddy", Sex und viel Natur ist ebenso stark als jenes nach Liebe. Lobenswert ist dabei auch, dass Lee keinen anklägerisch politischen Film drehte, sondern zeigt, welchen Effekt die zugeknöpfte, ja unterdrückende Gesellschaft auf die Liebenden hat. Ihm sind die beiden Figuren wichtiger als die Möglichkeit, den Zuschauern seine Agenda einzuprügeln. Das ist auf jeden Fall ein grosses Plus.

Deshalb: Es gibt wahnsinnig viel zu mögen an dem mutigen, traurigen und eindringlichen Film und manche Auszeichnungen ist er absolut wert. Doch mir fehlt das Neue. Mir ist er zu lang und zu mechanisch inszeniert. Routiniert wäre das positivere Wort, aber was an der Inszenierung so genial sein soll, entgeht mir. Ebenso leider auch die magische, fast überirdisch starke Liebe der beiden Männer, die Jahre des getrennt Seins übersteht. Oder in den Worten des immer nörgelnden Slant Magazines: "If the film succeeds at all it's not because of Lee's suffocatingly polite direction but for its expressive performances and intrinsic sadness of Ennis and Jack's ritual of hiding."
 

Roger Ebert (USA) 4/4
James Berardinelli (USA) 3/4
BBC (GB) 5/5
Slant Magazine (USA) 2½/4
imdb


Capote USA 2005
Drama
Reviewed 18.1.06

Regie: Bennett Miller
Mit: Philip Seymour Hoffman, Catherine Keener, Clifton Collins Jr., Chris Cooper, Bruce Greenwood, Bob Balaban, Mark Pellegrino

Truman Capote (1924-1984) publizierte den Non-Fiction-Roman In Cold Blood im Jahr 1966. Es war sein grösster Triumph, danach schrieb der gefeierte US-Autor kein Buch mehr. Bennett Millers Regiedebüt "Capote" illustriert, wieso es dazu kam, indem es den emotionalen Effekt aufzeigt, den die Recherchen zu seinem Meisterwerk auf Capote hatten. Der New Yorker Schriftsteller, porträtiert von Philip Seymour Hoffman, liest 1959 in der New York Times von der Ermordung der Familie Clutter in Holcomb Kansas. Fasziniert von diesem vierfachen Mord reist Capote mit seiner Vertrauten Harper Lee (Catherine Keener) - der späteren Autorin von "To Kill a Mockinbird" - in die ländliche Region. Er interviewt Sheriff Alvin Dewey (Chris Cooper) und ist dabei, als die zwei Verdächtigen geschnappt werden: Perry Smith (Clifton Collins Jr.) und Richard Hickock (Mark Pellegrino).

In bedächtiger Art und Weise zeigt Miller, wie Truman das Buch in seinem Kopf zusammensetzte, ihm den Titel "In Cold Blood" verlieh und immer näher zu Perry Smith hingezogen wurde. Es ist enorm faszinierend, wie der zu Beginn auf Ehrlichkeit setzende Capote Perry offensichtlich täuscht, um an die nötigen Geschichten zu kommen. Für sein Buch verkauft er seine Ideale - und der Preis dafür ist zermürbend. "Capote" bietet deshalb zwei Filme in einem, und beide sind fantastisch.

Zum einen ist es das Psychogramm eines faszinierenden Künstlers. Der schwule Capote mit seiner affektierten Art und seiner hohen Stimme ist ein Unikum und eine der schillerndsten Figuren des Amerikas seiner Ära. Hoffman spielt ihn schlicht brillant. Von Gerald Clarke, der Capote 13 Jahre lang begleitete, um seine Biografie zu schreiben, wurde Hoffman unterrichtet und er wächst perfekt in den Part hinein. Zu Beginn amüsiert er als Paradiesvogel, der so gar nicht ins ländliche Amerika passt, doch im Verlauf des Films werden seine Facetten zahlreicher. Seine Anziehung, ja Liebe, zu Perry kommt ins Spiel, sein Verlangen nach einem "guten Ende", sein Zwiespalt zwischen Herz und Verstand. "Capote" spielt auf so vielen Ebenen und Hoffman bringt sie alle mit einem unaufdringlichen, aber umwerfenden Spiel auf den Punkt.

"Capote" ist aber auch die Geschichte einer Bluttat und ihrer Folgen. Der Clutter-Mord, die Verhaftung, die Auswirkung auf die Dorf-Gemeinschaft - alles wird gezeigt, ohne Capotes persönliches Schicksal zu verdrängen. Miller entwickelt, wie auch Capotes Buch, aus den Ereignissen ein Votum gegen die Todesstrafe, doch auch dieses Thema nimmt nie das Hauptaugenmerk ein. "Capote" ist schliesslich nicht predigend und scheut auch nicht davor zurück, die Gräueltat an den Clutters zu zeigen. Wenn Perry erzählt, wie viel Geld sie in dem Haus gefunden haben, löst das einen Strudel der Emotionen aus. Hass auf die Killer, Trauer über den Verlust von Menschenleben für ein Nichts. Und vieles mehr. Auch dieser Bestandteil von "Capote" ist facettenreich und einer Non-Ficion würdig.

Hoffman ist damit auf jeden Fall einer der Top-Anwärter auf den diesjährigen "Oscar". Und dies absolut verdient. Interessanterweise ist "Capote" trotzdem keine One-Man-Show, was den starken Nebendarstellern zu verdanken ist. Die stets verlässliche Catherine Keener glänzt als gutes Gewissen, weshalb sie auch den entscheidenden Satz "Maybe, but the fact is you didn't want to" spricht, als Truman weinend erklärt, er habe alles versucht, Perry zu helfen. Dieser wird gespielt von Clifton Collins Jr., der mir erstmals in "187" richtig auffiel, als er noch Clifton González González hiess. Über die Jahre mauserte er sich zu einem eindrücklichen Schauspieler - und in "Capote" ist er erstklassig. Wenn er sanftmütig und doch irgendwie kühl in der Zelle von sich erzählt, entsteht eine enorme Spannung mit Hoffman. Die zwei ergänzen sich hervorragend.

Für meinen Geschmack ist "Capote" an manchen Orten etwas gar bewusst langsam, ausserdem sind manche inszenatorischen Entscheidungen zu offensichtlich und letztendlich bekommt gegen Schluss Truman der hinterhältige Erfolgsmensch etwas zuviel Raum gegenüber Truman dem Wortkünstler. Aber das sind kleine Mankos eines absolut sehenswerten Films. Und eben: Gebt Hoffman den Oscar - es wäre eh höchste Zeit, ihn mal zu ehren. Mit diesem Film verdient er es allemal.

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Roger Ebert (USA) 4/4
James Berardinelli (USA) 3½/4
Slant Magazine (USA) 2½/4
imdb


Cinderella Man USA 2005
Boxerdrama
Reviewed 18.7.05

Regie: Ron Howard
Produktion: Ron Howard, Brian Grazer, Penny Marshall
Mit: Russell Crowe, Renée Zellweger, Paul Giamatti, Craig Bierko, Paddy Considine, Bruce McGill

"Cinderella Man" ist der diesjährige Seabiscuit: Ein Drama über einen Sportler, der einer Nation, die wegen der Grossen Depression auf den Knien war, wieder neue Hoffnung gab. Die Parallelen sind erdrückend und beide Filme haben ähnliche Vor- und Nachteile. Für westliche Augen ist manche Parallel-Zeichnung von Figuren und Geschichte arg klebrig und der herbeigefieberte Aufstieg des Helden (und damit Amerikas) begleitet von einigen schwer zu schluckenden Kitsch-Brocken. Aber "Cinderella Man" bewegt zweifellos. Etwas weniger Schmalz, etwas weniger Lauflänge, und es wäre eines der besseren Melodramen des Jahres geworden.

Der Plot dreht sich um James J. Braddock (Russell Crowe), der 1928 kurz davor steht, zum Box-Weltmeister aufzusteigen. Doch eine Serie von Niederlagen und der gleichzeitige wirtschaftliche Abstieg Amerikas machen aus ihm einen Sozialhilfe-Empfänger. Seine Boxlizenz wird ihm wegen peinlichen Fights entzogen. Zusammen mit seiner Frau Mae (Renée Zellweger) und ihren drei Kinder bewohnt er ein kleines Appartment in New Jersey. Wegen seiner gebrochenen Hand kann er kaum Geld verdienen. Die Milch müssen sie verdünnen, der Strom wird ihnen genauso abgestellt wie das Gas. Da bringt Jims Manager Joe Gould (Paul Giamatti) frohe Kunde von einer einmaligen Kampfchance: Jim darf kämpfen - und zum Erstaunen aller, gewinnt er. Nun kämpft er sich nach oben. Bis zum Titelkampf gegen Max Baer (Craid Bierko), der im Ring schon zwei Menschen getötet hat.

Die klassische Underdog-Fabel also, deren Ausgang man kennt, aber die Umwege sind trotzdem spannend. Dies vor allem, weil der Plot natürlich auf Tatsachen beruht und die Story von Braddock tatsächlich eine beeindruckende Geschichte über die Kraft des menschlichen Willens ist. Russell Crowe spielt entsprechend kraftvoll. Er verkörpert den Fighter mit Ruhe und Güte, manchmal erscheint sein moralisch integrer Jim fast wie ein wandelndes Gutmensch-Klischee, doch Crowe bringt die Figur stets einnehmend herüber. Und er boxt stark. Dem Vernehmen nach hat er beim Dreh manchen Zahn- und Knochenbruch erlitten, da seine Gegner echte Boxer waren. Das spürt man auch.

Aber trotzdem muss man sich fragen, was der Film dem Boxer-Genre neues hinzuzufügen hat. Eigentlich eben nichts. Man guckt 144 Minuten einer Story zu, die man in ihrer Essenz auswendig kennt, und die selbst technisch ihren Vorbildern wie "Raging Bull" und "Rocky" deutlich nachsteht. Auch an den letztjährigen Boxerstreifen Million Dollar Baby kommt diese Fabel niemals heran. Dazu ist sie zu dick aufgetragen. Man denke nur an die Reden, welche die (nicht immer überzeugende) Renée Zellweger und Crowe v.a. gegen Ende des Films halten müssen. Die sind zäh und einstudiert, während die Dialoge von MDB Echtheit haben. Das fehlt hier. "Cinderella Man" ist rührend, famos ausgestattet und eindrücklich gespielt (von Crowe und Paul Giamatti), doch er ist auch überlang, voraussehbar und versehen mit klebrigem Soundtrack. Ron Howard sollte vom Schmalz wieder etwas zurücktreten. Ich mag viele seiner früheren Filme (besonders "Apollo 13"), doch mit "A Beautiful Mind" begann er sich in eine Ecke zu inszenieren, die eigentlich Leute wie Lasse Hallstöm und Penny Marshall (beide waren mal als Regisseure vorgesehen) bessere besetzen als er. Howard ist nämlich ein sehr guter technischer Regisseur, aber mit Emotionen hat er etwas Mühe. Manchmal zu wenig davon, manchmal zu viel. Und selten wirklich gut. Aber "Cinderella Man" ist trotz allem sicher ein sehenswertes Werk.

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Roger Ebert (USA) 3½/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
Slant Magazine (USA) 2/4
imdb


The Constant Gardener GB/USA 2005
Thrillerdrama
Reviewed 5.10.05

Regie: Fernando Meirelles
Buch: Jeffrey Caine nach dem Roman von John Le Carré
Mit: Ralph Fiennes, Rachel Weisz, Hubert Koundé, Danny Huston, Bill Nighy, Pete Postlethwaite, Archie Panjabi, Donald Sumpter

Ein faszinierender, aufwühlender aber nicht immer treffsicherer Mix aus Spionagethriller, Liebesdrama und Sozialkritik: Die Adaption von John Le Carrés Roman begeistert ebenso wie sie frustriert. Letzteres vor allem, weil der brasilianische Regisseur Fernando Meirelles, der den genialen, aber im Nachhinein minim überschätzten City of God inszenierte, auch diesmal seinen Stil etwas zu sehr zelebriert. Wackelkameras, zu kontrastreiches Bild, plumpe Farbgegensätze zwischen dem grauen Europa und dem farbenfrohen Afrika. Doch all dies setzt Meirelles zu einem guten Zweck ein: Den oft vergessenen Kontinent Afrika wieder in unsere Erinnerungen zu bringen und uns auf das tägliche Leid des Kontinents aufmerksam zu machen.

Dies macht er durch zwei Weisse: Justin (Ralph Fiennes) und Tessa (Rachel Weisz) Quayle. Zu Beginn des Films ist Tessa bereits tot. In Rückblenden zeigt Meirelles, dass der spröde Diplomat Justin die feurige Tessa nach einem Streit um Englands Einmischung in den Irak-Konflikt lieben lernte und die beiden heirateten, um in Afrika Dienst zu tun. Während Justin dort vor allem seine Pflanzen hegte und pflegte, recherchierte Tessa mit ihrem Partner Arnold (Hubert Koundé) in einem brisanten Gebiet: Afrikaner werden während des Aids-Tests auf Tuberkulose getestet und sterben später teilweise unter mysteriösen Umständen. Nach Tessas Ermordung führt Justin die Untersuchungen weiter.

Der Ansatz ist Interessant: Justin lernt seine Frau erst richtig kennen und lieben, nachdem sie bereits tot ist. Zudem wird er dadurch zu einem engagierteren Menschen. Leider ist Ralph Fiennes dafür der falsche Schauspieler. Den trägen Gärtner bekommt er gut hin, den stammelnden Diplomaten auch, doch sobald er energischer werden soll, ist davon nichts zu spüren. Fiennes gehört zu den schläfrigsten Schauspielern überhaupt und obwohl er dementsprechend für einen Grossteil der Rolle hier gut gecastet ist, fand ich ihn ebenso schwach wie im anderen Afrika-Epos seiner Karriere, "The English Patient".

Rachel Weisz dagegen überzeugt komplett. Ebenso Bill Nighy, sieht man von seiner etwas plakativen, letzten Szene im Film ab. Er ist süffisant diabolisch und verkörpert das Elite-Klüngel, das die Fäden zieht, brillant. Auf dieses Establishment aus Wirtschaft und Politik hat es Meirelles abgesehen. Vor allem auf die Big-Pharmas. Da gibt es auch viel auszugraben und anzuklagen, doch ich wurde das Gefühl nicht los, es hätte mehr drin gelegen. Ein paar unglaubwürdige Mordfälle und seltsame Spionage-Verwicklungen reichen nicht, um das Verschwörungs-Level auszuloten. Auch dass die böse Firma "Swiss-Canadian" ist, zielt wohl an den wahren Verbrechern (US-Multinationals) vorbei, um nicht zu viele Leute zu brüskieren. Das Hardcore-Cineasten-und-Minderheiten-Magazin Slant, welches mal wieder einen verheizten Gutmenschen-Film hinter "The Constant Gardener" ortet, wenn es erklärt "the film chooses to fan the flames of liberal guilt from a safe distance". Man sieht zwar das echte Afrika, das der Favela-erprobte Meirelles im Ghetto von Nairobi eingefangen hat, doch im geschützten Kino kommt man sich trotzdem vor, wie ein Leidenstourist. Alles wirkt, vor allem wegen dem aufgedrückten Stil, zu inszeniert. Selbst die noch so dokumentarischen Szenen.

Das mag auch daran liegen, dass Meirelles eine Liebesgeschichte als Anker braucht. Diese zieht den Film nicht herunter wie es jene in In My Country, doch sie sabotiert den ernst gemeinten, kritischen Aspekt des Films. Wenn etwa Fiennes in einer unsäglichen Sequenz heulend in London sitzt und wie wiederholt seine Sexszene mit Rachel Weisz dazugeschnitten bekommen, dann zieht sich das aufgedrückte Melodrama hinter dem Ganzen in die Länge. Von den 130 Minuten hätten problemlos deren 20 wegfallen können ohne endlose Wiederholungen oder die Stammes-Attacke im Südsudan, die über die drei Komponenten des Films wenig zu tun hat - ausser zu zeigen, dass Weisse bei Gefahr gerettet werden können, Schwarze nicht. Aber an dem Punkt des Films hat man dies längst kapiert.

All das hört sich negativ an - ich hüte mich auch davor, "The Constant Gardener" in den Himmel zu loben. Dazu ist er zu diffus in seinem Angriff, zu aggressiv in seinem Stil - nicht zu vergessen zu lang und mit Ralph Fiennes schlecht besetzt. Aber Meirelles, der vor Ort drehte und improvisierte, fängt hin und wieder das echte Leid Afrikas ein. Er schockiert mit Denkansätzen, die wirklich ins Grübeln bringen und offeriert einen Film, den es anzuschauen lohnt. "The Constant Gardener" ist ein knapper Dreieinhalber; ein bewegendes, interessantes und gut gemeintes Kino-Epos, welches, wie eingangs erwähnt, ebenso begeistert wie frustriert. Die letzte Le-Carré-verfilmung "The Tailor of Panama" war eigentlich besser.

Roger Ebert (USA) 4/4
James Berardinelli (USA) 3/4
Slant Magazine (USA) 1½/4
imdb


Corpse Bride USA 2005
Trickfilm
Reviewed 3.10.05

Regie: Tim Burton, Mike Johnson
Sprecher: Johnny Depp, Helena Bonham Carter, Emily Watson, Tracey Ullman, Albert Finney, Richard E. Grant, Paul Whitehouse, Joanna Lumley, Christopher Lee, Danny Elfman, Michael Gough, Jane Horrocks, Deep Roy

"Corpse Bride" ist ein wunderbarer, morbider und visuell ausgeklügelter Film, der nur einen Nachteil hat: Es gab ihn schon besser. 1993 inszenierte Henry Selick für Tim Burton nämlich mit "The Nightmare Before Christmas" ein Meisterwerk, das etliche Parallelen zu diesem neuen Burton-Film aufweist. Von Danny Elfmans Song über die Bildsprache und das Thema, wonach die vermeintlichen Freaks die besseren Menschen sind. "Corpse Bride" variiert diese Idee indes etwas. Johnny Depp spricht Victor Van Dort, einen bleichen Jüngling, der mit Victoria Everglot (Emily Watson) verheiratet werden soll. Victors Eltern Nell (Tracey Ullman) und William (Paul Whitehouse) erhoffen sich so den Aufstieg in die feine Gesellschaft während Victorias Eltern Maudeline (Joanna Lumley) und Finnis (Albert Finney) sich durch die Heirat mit einem Kaufmannssohn Geld in ihre leeren Adelskassen erhoffen. Bei der Heiratsprobe ist der Priester (Christopher Lee) jedoch entsetzt über Victors Unfähigkeit, das Ehe-Gelübde zu sprechen. Victor geht in den Wald, um zu üben - und stülpt den Ring dabei aus Versehen einer Skelett-Hand über. Diese gehört einer weiblichen Leiche (Helena Bonham Carter), die sich dadurch als Victors Frau sieht und ihn ins Totenreich holt.

Wie beim Vorgänger werden so zwei Welten aufgebaut - und visuell unterstrichen: die monochrome Welt der Lebenden, die farbenfrohe Welt der Toten. Burton war schon immer einer, der in den Filmen die Freaks, die Toten und Aussenseiter bevorzugte. Selten deutlicher als hier. Umso genial dekadenter und irrer sind die "Menschen" oben, gesprochen von Albert Finney und Co. mit herrlichen rollenden "R" und pompösen Gehabe. Unten dagegen regiert der Swing, das pralle Leben. Auch in Danny Elfmans Musik spiegelt sich dies wieder: Fetzige Beats im Totenreich, düstere Balladen an der Oberfläche. Dieses Schema ist relativ simpel und der Film will wohl auch gar keine erhöhten Ansprüche vorgaukeln - doch es ist auf alle Fälle effektiv. Die Toten halten den Lebenden einen Spiegel vor. Mit teilweise köstlichem Resultat.

Die Witze sind auch sonst gut und mannigfaltiger Natur. Hommagen (Harryhausen, "Frankly my dear, I don't give a damn"), plumper Slapstick (in Baum laufen), doppeldeutige Wortspiele ("play dead!"), morbide Gags wie abfallende Arme oder herunter plumpsende Augen. All dies ist für Burton-Fans und gotische Kinofreaks einfach eine Freude. Doch wie Eingangs gesagt: In "The Nightmare Before Christmas" war all dies noch frischer, noch beschwingter. Die Songs waren eine Spur besser ("This Is Halloween" und "Kidnap the Sandy Claws" laufen mir ständig nach), die Figuren noch neuer. Vieles wirkt in "Corpse Bride" dagegen bereits bekannt. Das soll aber auf keinen Fall heissen, dass der Film kein Genuss ist. Die Stop-Motion-Animation ist wunderbar, die Burton'sche Welt ein Augenschmaus, der Humor erlesen, die Sprecher fantastisch. Entgehen lassen sollte man sich diesen Kinospass auf keinen Fall.

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 3/4
Slant Magazine (USA) 2/4
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The Descent GB 2005
Horrorfilm
Reviewed 22.8.05

Regie und Buch: Neil Marshall
Mit: Shauna MacDonald, Natalie Jackson Mendoza, Alex Reid, Nora-Jane Noone, MyAnna Buring

Je weniger man zum Kino-Zweitling des Dog Soldies-Regisseurs Neil Marshall sagt, desto besser. Aber ein paar Dinge brennen mir schon auf der Zunge. Nach einem kurzen Prolog und einer der besten weil heftigsten Szenen des Kinojahres treffen wir unsere sechs Heldinnen. Sarah (Shauna MacDonald) und Juno (Natalie Jackson Mendoza) und vier Freundinnen treffen sich in den Appalachen, um sich beim Caving, dem abenteuerlichen Erforschen von Höhlen, eine tolle Zeit zu gönnen. Dummerweise geht dabei manches schief.

Die erste Stunde ist ein Paradebeispiel für Spannungs-Entwicklung. Mit geringem Budget setzt Marshall ganz auf die Klaustrophobie der Höhle. Manchmal ist vielleicht ein Drittel des Bildes überhaupt beleuchtet, die Dunkelheit und Schatten drumherum lassen den Zuschauer ängstlich im Kinosessel versinken. Das Spiel mit verschiedenen Lichtquellen beherrscht Marshall perfekt - eine Taschenlampe in der Dunkelheit, in deren Strahl plötzlich etwas auftaucht, eine Videokamera im Infrarot-Modus, Fackeln, Leuchtstäbe: Alles kommt zum Zug und erzeugt verschiedene Licht- und Schattenspiele mit maximalem Effekt.

Und dann dreht plötzlich alles. "The Descent" wechselt nicht das Genre, aber die Wirkung. Das nun aufgegleiste Splatterfest ist regelrecht eine Erlösung. Die Girls leisten herausragende Arbeit, meine Favoritin ist Natalie Jackson Mendoza als zähe Juno. Die mental angeschlagene Sarah, sauber gespielt von Shauna MacDonald, sorgt aber für die wichtigen Plot-Enthüllungen. Da sie oft in Träume abgleitet, lässt Marshall auch ein paar Interpretationen der Ereignisse zu. Ich bevorzuge die geradlinige Variante: what you see is what you get.

Und was man bekommt, ist schlicht genial. Ich habe mich seit Jahren im Kino nicht mehr so gegruselt, die Kamera, die Tricks, die "The Thing"-inspirierte Musik sind famos. Die Figuren haben zwar die typische Klischee-Einteilung (das Psychowrack, die Draufgängerin, die Ängstliche, die Ärztin etc.), aber sie funktionieren. Auch ein paar Zufälle, die zu den Problemen in der Höhle führen, sind zu viele auf einmal, der Umstand, dass manche Figuren ihre Fähigkeiten verändern, ist etwas mysteriös, und das zuerst coole Ende hätte noch eine Spur besser sein können. Bloss: Was juckt mich das? Es geht hier einzig darum, die Nerven flattern zu lassen. Dazwischen gibts Horror-Zückerchen wie Anspielungen auf "Carrie" und "Aliens" und jede Menge Erstklass-Horror. Ja sogar Revenge-Aspekte stecken drin. Und mir gefiel ausserordentlich gut, dass die Charaktere alle keine Schätzchen sind. Selbst unsere Heldin ist "mental". Jede nützt mal die Chance, ihre Sympathien zu verspielen. Und genau darum sind sie so grossartig.

"The Descent" ist der in meinen Augen bislang beste Horrorfilm des Jahres. Abstriche mach ich manche, bei Stereotypen und minimalen Unglaubwürdigkeiten, aber wenn ich zusammenzähle, wie oft ich zusammen gezuckt bin, wie oft ich bei einem Hirn und Fleisch spritzenden Fight aufjubeln wollte, dann kann dieser Reisser nur als kleines Meisterwerk eingestuft werden. Mit gefiel er noch eine Spur besser als "Dog Soldiers".

Tipp: Keine Trailer anschauen, keine Kritiken lesen (99% haben Spoiler), nicht mal imdb aufsuchen. Nur hingehen und in die Hosen machen.

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BBC (GB) 4/5
Total Film (GB) 4/5
Empire Magazine (GB) 4/5
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The Dukes of Hazzard USA 2005
Komödie
Reviewed 18.8.05

Regie und Schnitt: Jay Chandrasekhar
Mit: Johnny Knoxville, Seann William Scott, Jessica Simpson, Burt Reynolds, Willie Nelson, M.C. Gainey

Die Kinofassung der Kultserie "Ein Duke kommt selten allein" (1979-85) inszenierte "Broken Lizard"-Komiker Jay Chandrasekhar ("Club Dread") als peinliche, angestaubte Zotenparade, die immer noch meint, ein cooles Auto, das von einem Dutzend Polizeiwagen verfolgt wird, sei eine tolle Sache. Fünf Minuten lang. Mehrmals. "The Dukes of Hazzard" kann man getrost auslassen, er bekommt seine 2 Sterne haarscharf wegen ein paar subversiven Gags und den Brüsten von Jessica Simpson. Ja, die spielen eine Hauptrolle. Ihre Beine eine Nebenrolle. Den Rest kann man in den Wind schiessen. Die Duke-Cousins (Johnny Knoxville, Seann William Scott) aus Hazzard County, Georgia, müssen diesmal gegen einen mächtigen Schurken (Burt Reynolds) antreten und machen dabei mit ihrem orangen Dodge Charger namens "General Lee" allerlei kaputt.

Die Pointen der Südstaaten-Hillbilly-Gaudi sind flach, das Erzähltempo seltsam gedrosselt, die Stars konstant am Schreien. Vom Kult der (rückblickend vielleicht eh nie sehr guten) Serie blieb wenig übrig - stattdessen gibts endlose Verfolgungen, Jessicas Skin-Show, Zoten am Laufmeter und eine unglaublich deplazierte Szene um geschwärzte Gesichter in einem afroamerikanischen Quartier. Und weil ich mich bereits wiederhole, sei die Kritik abgebrochen. Der Film stinkt zum Himmel. Und mir stinkts richtig, darüber zu schreiben. Skip it.

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Roger Ebert (USA) 1/4
James Berardinelli (USA) ½/4
Slant Magazine (USA) 2/4
Cinema (D) 3/5
BBC (GB) 1/5
imdb


Elektra USA 2005
Comicverfilmung
Reviewed 22.3.05

Regie: Rob Bowman
Mit: Jennifer Garner, Goran Visnjic, Kirsten Porut, Will Yun Lee, Terence Stamp, Cary-Hiroyuki Tagawa, Natassia Malthe, Chris Ackerman

Dagegen ist Catwoman richtig gut. Obwohl die Kritiker sich auf "Elektra" seltsamerweise weniger eingeschossen haben als auf Halle Berrys Büsi-Vehikel, hat jene Lack-und-Leder-Show diesem trägen Ramsch doch etwas voraus: Er macht Spass. Sei es freiwilliger oder unfreiwilliger Natur, auf trashiger oder Halle-in-Latex-Ebene. "Elektra" hat nichts davon. Nur eine sehr maskuline Frau, die zweimal einen roten Anzug trägt. Der Rest ist zum Gähnen und Heulen. Wieso zwei Sterne? Zwei Fights taugen was, die Musik von Christophe Beck ist angenehm experimentell und ein paar der Fieslinge sind ganz cool, vor allem Tattoo. Doch "Elektra" ist ein Reinfall, anders kann man es kaum sagen.

Dabei mochte ich Daredevil, jenen düsteren Superheldenfilm mit Ben Affleck, in dem Garner erstmals die Figur verkörperte. Von vielen belächelt bot dieser Streifen eine naive Freude an Action und Bösewichtern, hatte Stil und Tempo. "Elektra", der Spinoff ohne Affleck, in dem Garner zur Hauptfigur aufsteigt, hat nichts davon. Er sieht aus, als sei er in Nachbars Garten gedreht worden. Kein Gespür für Stil, noch weniger für Action. Jeder Shot ist so kurz, dass die Akteure kurz ein Bein oder einen Arm heben können. Ob sie fighten können, weiss man danach nicht. Aussehen tuts richtig schlecht. Überhaupt ist der Film katastrophal geschnitten. Ich habs dieses Jahr schon bedenklich oft gesagt. Früher war Hollywood in Sachen Editing doch immer souverän. Bei mies montierten Filmen wie "Elektra" wankelt sogar diese Bastion.

Doch zwischendurch mal schnell zum Plot. Der Kampfguru Stick (Terence Stamp) hat Elektra (Jennifer Garner) wieder zum Leben erweckt. Danach versucht er, sie zu trainieren. Doch ihre Wut ist zu gross. Deshalb verstösst er sie, worauf Elektra zur Profikillerin wird. Der neue Auftrag, den ihr McCabe (Colin Cunningham) zuspielt, führt sie auf eine abgelegene Insel. Dort freundet sie sich mit dem Nachbarn Mark Miller (Goran Visnjic) und dessen Teenager-Tochter Abby (Kirsten Porut) an. Erst nun erfährt Elektra, dass die zwei ihre Ziele sind. Sie bringt die Tötung nicht übers Herz und erledigt die neuen Killer, die geschickt werden. Das verärgert das Syndikat "Die Hand". Deren Anführer Roshi (Cary-Hiroyuki Tagawa) sendet aus Tokyo seine Top-Truppe um seinen Sohn Kirigi (Will Yun Lee). Doch warum wollen sie die Millers töten? Elektra weiss nur, dass sie an einen Schatz wollen. Worum handelt es sich?

Die Antwort ist schwach, also lohnt es sich nicht einmal, darauf einzugehen. Vielmehr müssen ein paar andere Drehbuchschwächen beleuchtet werden: Wiederbelebung. Dieses Konzept ist ja gut und recht, doch Filme, bei denen dergleiches möglich ist, sind nie so spannend wie andere. Schliesslich verliert der Tod alle Endgültigkeit und Power. Man kann die Toten ja einfach wiederbeleben. Noch schlimmer wiegt der Umstand, dass ein Teenie-Girl eingeführt werden muss. Das zieht den Film rabiat nach unten. Die billigen Gefühle, die Regisseur Rob Bowman ("X-Files", "Reign of Fire") dadurch provozieren will, sind gesucht. Das gilt für alle Emotionen. Bowman meinte, er wollte dem Film Emotionen geben, um die Superheldin menschlicher zu machen. Das ist etwa so nötig wie Pickel am Arsch. Man kann durchaus einen Superhelden-Film auf eine realitätsnahe Ebene holen - M. Night Shyamalan hat das bravourös gemacht mit "Unbreakable". Doch bei "Elektra" hat dies nur den Effekt, dass die Locations profan wirken und die erste halbe Stunde an Zähheit kaum zu überbieten ist: Elektra steht am See und erinnert sich an ein Trauma, sie sitzt im Haus und erinnert sich an ein anderes. Kein Plot, nur endlos wiederholtes Esotherik-Geschwurbel auf Vorschul-Niveau.

Genau dieses muss man den ganzen Film hindurch ertragen. Terence Stamps Dialoge unterbieten sogar den Stuss, den er in "Red Planet" von sich geben musste. Da hatten wir den Vorteil, dass er schnell einen Abgang machte. In "Elektra" bleibt er viel länger, um unsere Heldin spirituell zu begleiten. Und damit muss man wohl etwas zu dieser Heldin sagen. Sie ist schwach entwickelt, das ist nicht Jennifer Garners Fehler. Aber auch schauspielerisch ist Miss Garner überfordert. Die emotionalen Szenen wirken bemüht, ihre Kämpfe schwach, ihr Fudi-watschel-Gang unfreiwillig komisch. Ja sie ist nicht einmal sexy. Ihren roten Anzug trägt sie zweimal und sieht darin mit ihrem Gewichtsheber-Kiefer maskuliner aus als Sandra Bullock bei schlechter Beleuchtung. Jennifers Lippen können sehr sexy sein und sie selbst auch ganz adrett. Nicht aber in "Elektra". Vielleicht wollte sie auch nur alle spüren lassen, dass sie vertraglich an diesen Film gebunden war und der Dreh sie ziemlich anödete. Offensichtlich.

Wenn ein Film, der promotet wird als Actionstreifen um eine supersexy Heldin, dann muss man mehr erwarten. Er schafft nicht einmal, seine eigenen, PG-13-gefälligen Anforderungen zu erfüllen. Dazu ein bescheuerter Plot, müde Dialoge, riesige Logiklöcher, schwache Action und endlose Langeweile. Oder für die Handlung absolut unnötige Dinge wie Elektras Zwangsneurosen, die mal vorkommen, dann wieder nicht, der an den Haaren herbeigezogene Prolog, der auf die Handlung keine Einwirkung hat, oder unendlich viel Zeitlupe. Kaum jemand am Set scheint wohl irgend eine Ahnung gehabt zu haben, wohin dieses Drehbuch sie führen soll. Bowman drehte anscheinend erst einen R-Film und musste schneiden. Ich befürchte, da fielen mehrere Stunden Material auf den Studioboden. Denn der Film in seinem jetzigen Zustand macht keinen Sinn mehr. Und so besudelt "Elektra" höchstens den Namen Daredevil. Und er macht Catwoman zu einem besseren Film - wenn das keine Leistung ist!

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Roger Ebert (USA) 1½/4
James Berardinelli (USA) 2/4
Slant Magazine (USA) 2/4
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Elizabethtown USA 2005
Tragikomödie
Reviewed 14.10.05

Regie und Buch: Cameron Crowe
Produktion: Tom Cruise, Cameron Crowe, Paula Wagner
Mit: Orlando Bloom, Kirsten Dunst, Susan Sarandon, Bruce McGil, Judy Greer, Alec Baldwin, Jessica Biel, Paul Schneider

In Toronto und Venedig zeigte Cameron Crowe eine Fassung von "Elizabethtown", die von den Kritikern in der Luft zerrissen wurde. Obwohl ziemlich sicher gelogen, schob die Verleihfirma unmittelbar nach, es handle sich noch nicht um den endgültigen Cut und schickte Crowe zum Nachschnitt. Ob die neue, 18 Minuten kürzere Version besser ist, kann ich schwer beurteilen, da ich die Langfassung nicht gesehen habe - aber mir schwoll bei dieser Version das Herz an. Ich habe ein besonderes Faible für Cameron Crowes Art der Sentimentalität und ich konnte mich auch dieses Mal nicht erwehren.

Dabei waren meine Erwartungen tief: Ich mag Kirsten Dunst nicht und bin nicht der grösste Orlando-Bloom-Fan. Ausserdem sah das Ganze nach einem Liebesfilm aus, der nicht das breite Spektrum eines "Almost Famous" abdecken würde. Doch ich hätte meinem Instinkt vertrauen sollen. Mit seiner Ode an die Liebe und das Leben packt mich Crowe und trifft mich an den wundesten Stellen. Nach dem Film war ich nicht gar so strahlend berührt wie bei seinem bislang besten Film "Almost Famous", aber ich war aufgelöst und aufgewühlt - im positiven Sinne.

Dabei ist die Geschichte nicht nur simpel, sie kopiert auch beinahe jene von "Garden State": Der Schuhdesigner Drew Baylor (Orlando Bloom) setzte mit einem Flop 972 Millionen Dollar in den Sand und wird von seinem Boss Phil DeVoss (Alec Baldwin) gefeuert. Er geht nach Hause und bastelt eine Maschine, um sich umzubringen. Just in diesem Moment ruft seine Schwester (Judy Greer) an: Sein Vater sei tot. Drew muss nach Elizabethtown, Kentucky, reisen, um die Einäscherung zu organisieren. Auf dem Flug von Oregon in die alte Heimat trifft er die übermütige Flugbegleiterin Claire (Kirsten Dunst), die ihm Reisehilfe gibt. Am Ziel angekommen, wird Drew von seinen Familienangehörigen sofort bemuttert und ins Herz geschlossen.

Er selbst scheint der zu sein, der Vater am wenigsten gut kannte. Im ganzen Ort hängen Kondolenzbotschaften und Lobschriften auf den Verstorbenen. Ganz langsam wächst in Drew mehr Verständnis für den Vater und seine Herkunft. Der junge Mann braucht jemanden, um dies zu verarbeiten, und ruft Claire an. Sie hängen die ganze Nacht am Telefon und kommen sich in dieser so typischen Crowe-Montage näher. Drew spricht aus einem Hotel, wo nebenan ein Paar Hochzeit feiert. "Leben und Tod so nahe beeinander" sagt der betrunkene Bräutigam, und obwohl alles ungehobelt wirkt, trifft Crowe den Kern.

Nicht erst da. Der Film ist von Anfang an gelungen. Schon Drews Gang zum Chef ist genial, wenn er immer nur sagt "I'm fine" und gar nicht so aussieht. Alec Baldwin in einem Top-Cameo macht ihn auf eine Art nieder, die einfährt. Und schon da war mir klar, dass Orlando der Richtige ist für den Part. Er sieht passiv aus, nicht am schauspielen, aber das ist der Sinn. Auch der Star von "Almost Famous" war ein Schwamm, der die Umgebung aufsaugte und eher steif darauf reagierte. Wir formen Orlandos Figur in unseren Köpfen fertig, indem wir Elemente unserer eigenen Person in ihn fügen. Plötzlich ist nicht mehr die Frage "wie steht er zu seinem Vater" sondern "wie stehe ich zu einem Vater". Der Held, der anscheinend eindimensional gespielt ist, dient als Katalysator für Gedanken zu unserem eigenen Leben.

Und wenn es um tote Väter geht, hat er eh einen Punkt, bei dem jeder im Publikum mitfühlen kann. Mein Vater lebt zum Glück noch, doch in den Szenen mit Drew und seinem Dad vermisste ich meinen ungemein. Solche Emotionen löst Cameron Crowe aus wie kaum ein anderer, weil seine Gefühle eben auf der Leinwand ersichtlich sind. Im Prolog (ich weiss nicht, ob der im Kino auch kommt) erklärt er, dass er den Film nach dem Tod seines Vaters als Verarbeitung des Dramas gedreht hat - und das spürt man.

Wenn der Vater geehrt wird, bewegt dies auf verschiedenen Ebenen: Es ist nicht nur Kitsch und Sentimentalität drin, sondern viel Humor. Schon gleich am Anfang bei der Sache mit den Schuhen. Die hat Crowe entschlackt - in der Toronto-Version war klar, dass Drew Schue designed hat, die Piepsen beim Gehen. In der Kinofassung bleibt vage, warum der Schuh durchfiel und er den Job verlor. Es ist auch nicht wichtig, vielmehr steigert es das Mysterium um den Schuh - und schraubt den Humor hoch. Noch witziger sind die Sequenzen zwischen Bloom und der überdrehten Kirsten. Die zwei haben eine angenehme Chemie.

Und dann ist da die bereits legendäre Susan-Sarandon-Rede. Sie ist noch drin, zum Glück. Sie beginnt blamabel, sperrig und seltsam. Doch sie entwickelt einen Drive, der ins Surreale abwandert und zu einer glorios absurden Huldigung eines Mannes wird. Ein Tribut, wie ihn nur Crowe machen kann. Und er kulminiert in einem Konzert mit seelenwaschender Auflösung. Einfach genial. Ich hätte es indes noch mehr gemocht, wenn Sarandon erst bei dieser Szene aufgetaucht wäre. Die vorherigen spielt sie nicht immer überzeugend und man kann sie kaum einordnen. Wenn sie beim Tribut plötzlich an der Tür steht, alle drehen sich um und "tada, es ist Susan Sarandon", das wäre der beste Effekt gewesen. Aber auch so klappts.

Letztes zentrales Element ist die Musik. Ex-Musikjournalist Crowe geht hier fast zu weit mit dem Einsatz von Songs. Doch abermals: Es funktioniert. Bestes Beispiel eine finale Collage zu einer der schönsten Montage im Film, die das urtypische US-Genre des Roadmovies nimmt, innert einiger Minuten abhandelt und im gleichen Schnelldurchlauf Musik abspielt, manche davon bereits Popkultur-verknüpft mit dem jeweiligen Ort, den Drew besucht. Das ist Patriotismus der schönen Art, oft "Americana" genannt, wo die Seiten Amerikas zelebriert werden, die das Land in unseren Köpfen einst so gross und schön gemacht hat.

Crowe zelebriert eine Americana, die Liebe zweier Menschen und eine Ode an den Vater und das Leben. Alles in einem. Dass der Film dabei etwas ausfranst, ist Grund für die "nur" 3½ Sterne. Ich wollte mehr geben, weil mir der Film so extrem ans Herz ging, doch gewisse dramaturgische Schwächen kann ich schwer leugnen. Für meine Seele gibts eine bessere Bewertung. Denn obwohl ich alles andere als ein Familienmensch bin, so hat dieser Film auf seltsame Weise die Liebe zu meinem Vater verstärkt. Und überhaupt an die Familie, die Freunde, die Herkunft, das Leben. Crowe schafft es wie bei "Jerry Maguire", einen Absturz am Anfang zu inszenieren und uns einen Mann zu zeigen, der sein Leben neu ordnet und erkennt, was wichtig ist. Eine einfache Formel, aber umgesetzt mit Herzblut. Eine Wohltat, die Zyniker auch in der gekürzten Version wohl zerreissen werden. Sollen sie doch.

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
imdb

 


Everything Is Illuminated USA 2005
Tragikomödie
Reviewed 30.10.05

Regie und Buch: Liev Schreiber
Mit: Elijah Wood, Eugene Hutz, Boris Leskin, Laryssa Lauret

"Everything Is Illuminated", das Regiedebüt des Schauspielers Liev Schreiber, ist ein reizender Film. Er basiert auf dem Pseudo-Erlebnisbericht des 1977 geborenen Jonathan Safran Foer und handelt vom jungen Jonathan (Elijah Wood), der nach dem Tod seiner Oma in seine ukrainische Heimat reist. Dort will der jüdische Jonathan die letzten Rätsel seiner Vorfahren entschlüsseln. Er heuert den Einheimischen Alex (Eugene Hutz) als Fremdenführer an, da dieser gebrochen Englisch spricht. Hinter dem Steuer sitzt jedoch Alex' Grossvater (Boris Leskin), der glaubt, er sei blind und darum stets den Blindenhund Sammy Davis Jr. Jr. dabei hat. Das Trio macht sich von Odessa aus auf den Weg ins Landesinnere.

Diese Reise wird stets surrealer und melancholischer. Zu Beginn birgt der Film primär schräge Komik. Schon zum Einstieg etwa, wenn Alex seine irre Familie vorstellt. Nach all den skurrilen Erlebnissen schleicht sich jedoch langsam ukrainische Vergangenheitsbewältigung in den Film und wird letztendlich abgelöst von der Verarbeitung der Nazi-Gräueltaten und ihrer Folgen. Ich empfand insbesondere diesen letzten Teil als nicht gänzlich befriedigend, da er zu überladen und forciert ist. Man bekommt Dinge eingetrichtert, die man schon weiss - oder erahnt hat. Unter anderem deshalb stellt sich auch nie die Rührung ein, die Schreiber wohl vorschwebte.

"Everything Is Illuminated" ist für mich aber dennoch ein guter Film. Dies liegt einerseits an Schreibers in Sachen Tempo gemütlicher und in Sachen Bildern poetischen Inszenierung. Wenn er den Zwiespalt in der Ukraine zwischen Moderne und Vergangenheit zeigt, indem er verfallene Fabriken, arme Bauern und MacDonald's aneinanderreiht, serviert er die Symbolik etwas gar plump - aber solche Szenen gibt es wenige. Der Rest ist angenehm unaufdringlich.

Schriebers grösste Hilfe sind seine Akteure. Elijah Wood agiert mit der richtigen Mischung aus Naivität, Krankhaftigkeit und Passivität. Opa Boris Leskin amüsiert und bewegt auf seine grummlige Art. Der Star des Films ist aber Eugene Hutz, der Sänger der 1993 gegründeten New Yorker Zigeuner-Punk-Band "Gogol Bordello" (die Truppe absolviert ein Cameo als Bahnhofsmusiker). Hutz ist mit seinem gebrochenen Englisch einfach umwerfend und jedes Mal wenn er Sammy Davis Jr. Jr. als "seeing eye bitch" bezeichnet, oder wenn er gestelzte Wörter wie "premium" und "illuminated" von sich gibt, grinst man innerlich.

Aber er ist nicht nur ungemein komisch, er wirkt auch leicht tragisch: Seine etwa 10 Jahre hinter der Mode herhinkende Hiphop-Kleidung, sein Faible für Michael Jackson und andere etwas abgelaufene Popkultur-Ikonen, macht ihn zu einem Mann, der krampfhaft versucht, der Realität seines Landes zu entfliehen. Eine Szene, die zeigt, wie er zwischen Stuhl und Bank gefallen ist, ist jene, in der er mit Baurabeitern zu reden versucht. Man mag über Alex' manchmal dumme Fragen und Antworten lachen, doch wenn er an der richtigen Stelle mit kindlich-fragendem Blick Dinge in Frage stellt, die für Jonathan selbstverständlich sind. Er wirkt verzweifelt und hilflos. Hutz spielt diese Ballance ungemein überzeugend.

Wäre das Ende weniger verkrampft und trotz seiner schweren Thematik weniger banal, "Everything Is Illuminated" würde noch mehr packen. So ist er ein ungewöhnliches, persönliches und stets reizendes Werk, das vor allem dank dem Spiel von Eugene Hutz das Ansehen lohnt.

Roger Ebert (USA) 3½/4
James Berardinelli (USA) 2/4
Slant Magazine (USA) 2/4
imdb


Flightplan USA 2005
Thriller
Reviewed 3.10.05

Regie: Robert Schwentke
Mit: Jodie Foster, Peter Sarsgaard, Sean Bean, Kate Beahan, Erika Christensen, Marlene Lawston

"Flightplan" ist am spannendsten, wenn man wenig darüber weiss. Darum halte ich die Kritik relativ kurz. Schliesslich will ich die wenige Qualitäten, die der Routinethriller hat, niemandem vermiesen. Der Plot dreht sich um die Flugzeugingenieurin Kyle Pratt (Jodie Foster), die in Berlin ihren Gatten verliert. Mit dem Sarg und Töchterchen Julia (Marlene Lawston) im Schlepptau macht sich die angeknackste Frau auf den Weg nach New York. Mutter und Tochter fliegen in einem neuen, doppelstöckigen E-474-Jet, den Kyle mitentwickelt hat. Doch in 12'000 Metern Höhe wird der Luxusjet für Kyle zum Höllengerät: Ihre Tochter ist verschwunden. Weder die Crew noch die 425 Passagiere können ihr weiterhelfen.

Der Captain (Sean Bean), die Stewardessen und Sitznachbar Carson (Peter Sarsgaard) kommen ins Spiel. Auch ein paar auffällige Passagiere. Der deutsche Regisseur Robert Schwentke ("Tattoo") baut in diesem Anfangsstadium auch relativ kompetent Spannung auf. Doch er überschätzt das Potential seines klaustrophobischen Settings. Das Flugzeug ist so gigantisch, dass nie das Gefühl der Enge auftaucht. Das löste Red Eye bedeutend effektiver - und schneller. Mir ist schon klar, dass der Jet frisch designed werden musste, um einige Ereignisse später im Film zu ermöglichen. Auch die Doppelstöckigkeit macht Sinn - aber als Set ist es einfach nicht sonderlich einengend.

Und da diese Spannung bald wegfällt, sorgt man sich mehr und mehr um die Logik. Der eigentliche Twist ist absurd und alles was danach kommt, kaum mehr glaubhaft. "Flightplan", dessen Titel ein Wortspiel (Fluchtplan oder Flugplan) ist, welches nichts über den Film aussagt, mischt Elemente aus Hitchcocks "The Lady Vanishes", "Panic Room" und "The Forgotten" zu einem Routinethriller mit schwachem Ende und zu vielen Fragen, die offen bleiben. Aus Spoiler-Gründen kann ich die nicht ansprechen, aber ich hoffe, sie fallen euch auch auf. Wenn nicht, kann man "Flightplan" durchaus geniessen. Ich sehe auch gerne über Logikprobleme hinweg, wenn ein Thriller ansonsten hält, was er verspricht - wie etwa die High-Concept-Thriller Cellular, Phone Booth oder Red Eye. Doch "Flightplan" verheddert sich in seiner konstruierten Handlung, drängt Jodie Foster in eine "Panic Room"-Plagiatsrolle und ist spätestens beim Finale bloss noch lachhaft. Spannend manchmal, clever leider nie.

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Roger Ebert (USA) 3½/4
James Berardinelli (USA) 2/4
BBC (GB) 2/5
Slant Magazine (USA) 2/4
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Herbie: Fully Loaded USA 2005
Komödie
Reviewed 7.7.05

Regie: Angela Robinson
Mit: Lindsay Lohan, Justin Long, Matt Dillon, Michael Keaton, Breckin Meyer, Cheryl Hines

Kauft euch die Herbie-Box, dann seid ihr bestens bedient mit den gelungensten Filmen des Kult-Käfers von Walt Disney. Dieses Update ist dagegen reine Zeitverschwendung: Eine unnötige, fantasielose und vor allem öde Neuverfilmung mit Lindsay Lohan als junge Maggie Payton, die aus einer Rennfahrer-Dynastie stammt und von Daddy (Michael Keaton) auf den Geburtstag den zur Verschrottung frei gegebenen VW-Käfer Herbie geschenkt bekommt. Natürlich zeigt ihr der Käfer, dass er ganz spezielle Kräfte hat, mit denen sich der arrogante NASCAR-Champion Trip Murphy (Matt Dillon) schlagen lässt.

So dünn der Plot, so klar vorgezeichnet der Ablauf. Am amüsantesten fand ich das Geplänkel zwischen der immer sehenswerten Lindsay Lohan und dem mir ebenso sympathischen Justin Long, dem Trottel aus Dodgeball und gepeinigten Teenie aus "Jeepers Creepers". Auch Matt Dillon hat ein paar freche Sprüche auf Lager. Doch Michael Keaton ist verschenkt, sein Zusammenspiel mit Lohan holpert und der Käfer selbst ist diesmal reichlich albern. Im Vorspann kommen noch Szenen aus den Originalfilmen zum Zug, und die sind niedlich. Damals konnte Herbie seine Reifen ausfahren, Öl spritzen und dergleichen und das war lustig. Wenn er heute Öl spritzt, ist das eher etwas brav. Wenn er wiederum Wände hoch rast und Saltos schlägt (in mässiger CGI-Animation versteht sich), dann ist das zuviel des Guten. Der Charme geht flöten. Auch seine Piepsgeräusche in R2-D2-Manier werden schnell zum Ärgernis.

Den Jüngsten dürfte der Film durchaus noch gefallen. Ich konnte mit den moralisierenden Familienverhältnissen wenig anfangen, noch weniger mit dem eigentlichen Rennen. Und selbst die feministische Botschaft, dass die wackere Maggie die erste NASCAR-Fahrerin ist, dies nach oben schafft, verpufft angesichts der Tatsache, dass sie es ja nur Dank Herbie geschafft hat. Ob sie wirklich eine tolle Fahrerin ist, steht auf einem anderen Blatt.

Aber damit plagen sich ältere Zuschauer wohl eh nicht rum. Vielmehr mit Lindsays Oberweite. Nein, nicht weil wir alle "Glüschteler" sind, sondern weil besorgte Eltern nach ersten Test Screenings bei Disney darum gebeten haben, Lindsays Brüste zu verkleinern. Die üppige Weiblichkeit würde bei ihren Sprösslingen für Albträume oder Impotenz sorgen - oder weiss der Henker, was für kranke Vorstellungen US-Eltern haben. Disney handelte und retuschierte Lindsays Busen an etlichen Stellen digital. Man sieht es nicht wirklich, und wenn doch, dann ist es wohl eher Einbildung. Aber man erwischt sich immer wieder dabei, wie man einen Blick auf den Busen wirft und sich fragt "War er in der vorherigen Szene nicht grösser? Ist er hier jetzt verkleinert oder nicht?" Und wenn man sich bei einer vermeintlich drolligen Komödie in derart nichtige Fragen flüchtet, dann hat der eigentliche Film wohl wenig Zugkraft.

So ist es denn auch. Ein Teeniefilm mit ein paar Herbie-Szenen, lustlos inszeniert, schwach erzählt. Und Herbie, der "Love Bug", ist diesmal nicht einmal sonderlich charmant. Guckt euch "Fully Loaded" wegen Lindsay und Justin an, aber erwartet weder Spannung noch grosse Humorattacken. Vielmehr harmlose "ich spritze dem bööösen Matt Dillon Öl ins Gesicht"-Gags. Harmloser Familienspass, mag man da entgegnen. Ja, das ist er, aber vom Update eines kultig verehrten All-Time-Lieblings mancher Haushalte darf man etwas mehr erwarten als das!

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Roger Ebert (USA) 2/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
Slant Magazine (USA) 1½/4
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Hide and Seek USA 2005
Horrorfilm
Reviewed 21.2.05

Regie: John Polson
Mit: Robert De Niro, Dakota Fanning, Famke Janssen, Elisabeth Shue, Dylan Baker, Amy Irving, Melissa Leo

"Hide and Seek" ist ein M.-Night-Shyamalan-Film für Arme. Die Zutaten scheinen zu stimmen: Gemächliche Inszenierung, langsamer Spannungsaufbau, psychologische Interaktion zwischen Vaterfigur und Kind und zum Schluss ein Twist. Doch all dies fruchtet hier einfach nicht. Regisseur John Polson hat nicht die Hälfte des Talents seines Vorbilds und sein Twist ist so übel, dass er den ganzen vorangegangenen Film schwächer macht. Der Plot dreht sich um einen Psychologen namens David (Robert De Niro), dessen Frau (Amy Irving) sich in der Badewanne die Pulsadern aufschneidet. Der betrübte Doktor zieht nach diesem tragischen Suizid mit Tochter Emily (Dakota Fanning) aufs Land, wo beide über den Verlust hinwegkommen wollen. Doch Emily zieht sich immer weiter zurück und entwickelt eine Beziehung zu einem imaginären Freund namens Charlie. Sie wird immer gewalttätiger und attackiert Papas neue Freundin (Elisabeth Shue) verbal.

Soweit so gut. Diese erste Hälfte ist nicht übel. Die Frage, ob Charlie wirklich existiert, ob er Geist, Mensch oder Einbildung ist, das sorgt immerhin für ein Minimum an Spannung. Den Rest erledigen klassische "Buh"-Gags der Marke "Katze im Kasten". All dies aus dem Fundus gängiger Horrorklischees. Polson inszeniert sie nach Shyamalan-Art, wodurch auch Alltagsgegenstände bedrohliche Formen annehmen. Man erinnere sich an das Babyfon im Meisterwerk "Signs". Doch wenn das Finale in Sichtweite kommt, braut sich schnell die Angst zusammen, dass Polson die Überraschungspointe nicht hinkriegt. Genau das passiert. Der Film fällt wie ein Kartenhaus zusammen, Logiklöcher von gigantischem Ausmass tun sich auf und Frust setzt ein.

Wenn "Hide & Seek" wenigstens gut gespielt wäre, könnte man Bonus geben. Doch Robert De Niro schlafwandelt durch den Film und steigt eine weitere Etage nach unten in die schauspielerische Mittelmässigkeit. Er ist wirklich blass - was an seiner Rolle liegen kann. In dem Fall ist er selber Schuld, denn er sollte aufhören, solche Parts anzunehmen. Seltsamerweise spielt ihn die kleine Dakota Fanning, die schon neben anderen "Oscar"-Preisträgern wie Denzel Washington und Sean Penn bestanden hat und demnächst neben Cruise in Spielbergs "War of the Worlds" antreten darf, spielend an die Wand. Die Kleine bekommt zwar etlich Klischee-Situationen (ganz übel: Das Goth-Outfit) und muss oft nur mit grossen Augen ins Leere starren, aber sie tut all dies mit mehr Einsatz, als ihn De Niro hier aufzubringen vermag. Der Rest des Casts ist Staffage. Famke Janssen ist sympathisch, aber unterverwertet. Elisabeth Shue spielt dritte Geige, Dylan Baker und Amy Irving bieten soliden Support.

Das Problem liegt halt eben schon beim Drehbuch, das eine routinierte Handlung durch einen hirnrissigen Twist zunichte macht. Genau genommen gabs diesen Twist vor nicht gerade langer Zeit schon im Kino (ich nenne den Filmtitel aus Spoiler-Gründen natürlich nicht), diesmal schmeisst man einfach ein Kind dazu, damit mehr emotionale Spannung generiert wird. Das passiert nicht. Man fragt sich nur im Nachhinein, wie dieses Kind diese Situation jemals ausgehalten haben soll. Warum, wie und wann - das sind die Anfangsworte von Sätzen, die einem nach dem Film am ehesten durch den Kopf gehen. Man sucht Antworten auf die fehlende Logik. Aber was solls: Zuviel nachdenken über diesen unterdurchschnittlichen Thriller lohnt sich eigentlich eh nicht.

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Roger Ebert (USA) 2/4
James Berardinelli (USA) 1/4
BBC (GB) 2/5
Slant Magazine (USA) ½/4
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Hitch USA 2005
Komödie
Reviewed 15.2.05

Regie: Andy Tennant
Mit: Will Smith, Eva Mendes, Kevin James, Amber Valletta, Julie Ann Emery

Der Film ist unterhaltsam, aber kaum vieler Worte wert. Will Smith spielt das New Yorker Original Hitch, der sich als "Date Doktor" einen Namen unter den Männern der Stadt gemacht hat. Er hat nämlich alle Tricks auf Lager, wie man(n) das Herz jeder Frau erobern kann. Seine Kunden haben auch alle die wahre Liebe erobert. Sein bisher schwerster Fall ist der übergewichtige Schussel Albert (Kevin James), der sich in die Geschäftsfrau Allegra (Amber Valletta) verliebt hat. Doch da erwischt Amor auch den Liebesdoktor eiskalt: Er verknallt sich in die schöne Klatschkolumnistin Sara (Eva Mendes), die so gar nichts mit Liebe anfangen kann. Meint sie.

Es kommt zu Komplikationen, Verwechslungen, Verwirrungen und viel Romantik. Der Film des Genre-erprobten Andy Tennant ("Sweet Home Alabama", "Anna and the King") kommt nur sehr schleppend in die Gänge. Will Smiths Gerede in die Kamera ist witzig, doch kriegt nie die Kurve, richtig cool zu sein. Manchmal kommt der Schnitt zu spät, der Musikeinsatz ist falsch oder die Punchline ist zu wenig gut. Mit dem Auftauchen von Kevin James ("King of Queens") und den etablierten Verwicklungen ist der Mittelteil jedoch richtig gut. Die Charaktere kommen zum Zug, die Stimmung ist gelungen und das Tempo überzeugt. Erst zum Schluss lässt Tenant die Zügel wieder locker, wodurch "Hitch" ein massives Gefühl von Überlänge bekommt.

Eines ist "Hitch" ganz sicher: Ideal besetzt. Will Smith ist erste Wahl für eine Rolle dieser Art und meistert sie blendend. Eva Mendes ist sexy und wortgewandt. Und Kevin James klaut mühelos fast jede Szene, in der er vorkommt. "Hitch" ist kein Must-See, keine umwerfende Komödie, aber ein leicht inszenierter Film, gerade richtig für ein Date. Na ja, das musste ja kommen.

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Roger Ebert (USA) 2½/4
James Berardinelli (USA) 3/4
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Hostage USA 2005
Actionthriller
Reviewed 2.3.05

Regie: Florent Siri
Mit: Bruce Willis, Kevin Pollack, Jonathan Tucker, Ben Foster, Jimmy Bennett, Michelle Horn, Jimmy Pinchak, Rumer Willis, Kim Coates

Nichts konnte mich darauf vorbereiten, wie brutal dieser Film ist. "Hostage" dürfte einer der blutigsten Mainstream-Actionthriller der letzten Jahre sein, ja, er hat sogar den Hang zum Sadismus. Haupt-"Schuldiger" ist der französische Regisseur Florent Emilio Siri, der für sein US-Debüt den Mittelnamen weggelassen hat und zuvor mit dem "Assault on Precinct 13"-mässigen Streifen "Nid de guêpes" ("Das Wespennest") aufgefallen ist. Ich habe nach durchzogenen Kritiken diesen Film nicht angeschaut, aber nun nach "Hostage" überlege ich mir dies nochmals. Denn Siri bringt in seinen Film die Aspekte, für die Amerikaner eher zu feige sind. Exzessiver Einsatz von Blut, kaputte Charaktere, lebensbedrohliche Extremsituationen und Gewalt gegenüber Kindern. Dies ist noch nicht wertend gemeint, ich gehe später darauf ein. Die Aufzählung soll euch einfach zeigen, worauf ihr euch einlasst.

Schon die ersten Minuten machen klar, dass es hier deftig wird. Der LA-Cop Jeff Talley (Bruce Willis, noch mit Bart) vermasselt eine Geiselnahme. Vater, Mutter und Sohn sind tot, Jeff mit den Nerven am Ende. Ein Jahr später lebt er (ohne Bart) in einem kalifornischen Dorf und arbeitet als Chief. Arbeit gibts kaum, dafür hängt zuhause der Haussegen schief. Die Ehefrau Jane (Serena Scott Thomas) droht mit Scheidung, Tochter Amanda (Bruce' Tochter Rumer) will wegziehen. Doch da ist der Chief plötzlich gefordert: Die Brüder Dennis (Jonathan Tucker) und Kevin (Marshall Allman) verfolgen mit ihrem Freund Mars (Ben Foster) das Auto von Jennifer (Michelle Horn). Die Teenagerin hat den drei rüpelhaften Jungs den Stinkefinger gezeigt und nun wollen sie sich rächen. Angestachelt werden sie zusätzlich, weil Jennifers Dad (Kevin Pollack) steinreich ist und in einem festungsartigen Haus in den Bergen wohnt. Die drei brechen ein, schlagen Papa k.o. und fesseln die Kinder. Doch Sohn Tommy (Jimmy Bennett) gelingt es, Alarm auszulösen. Eine Polizistin, die sich umsehen will, erschiesst Mars ohne mit der Wimper zu zucken. Nun zeigt sich, dass der junge Kerl zu allem fähig ist. Dennis lässt sich von der Eskalation anstecken, Kevin dagegen bekommt Angst. Schon bald haben Jeff und seine Leute das Haus umstellt.

Doch warum fragt die Tagline des Films, ob man bereit ist, seine Familie zu opfern? Oder eine andere? Ja, es passiert noch einiges, das oben Erzählte ist nur das Setup nach etwa einer halben Stunde. Doch bereits jetzt packt der Film mit seiner Unberechenbarkeit. Der Vorspann ist im "Panic Room"-Stil gehalten, nur stark abstrahiert. Danach wird Bruce' Charakter eingeführt und bald kann man nur noch schwer sagen, in welche Form von Gewalt alles ausartet. Auf gewisse Art spielt erneut "Assault on Precinct 13" hinein, doch noch soviel mehr. Drei unberechenbare Jugendliche, Kevin Pollacks Geheimnis, Bruce Willis' Dilemma - alles steigert sich in eine dramatische Situation für Willis' Charakter, in der er keine Übersicht mehr hat. Dies ist nicht "Die Hard". Talley ist angeschlagen und nicht Herr der Lage. Er bekommt es eben auch mit Menschen zu tun, die keine Skrupel kennen.

Das bringt mich zur Gewalt zurück. Die ist heftig. Nicht nur in Sachen Gore, sondern von ihrer Wirkung. Der kleine Tommy etwa hat Schnittwunden durch Scherben und wird von Talley in lebensgefährliche Situationen manövriert. Kinder bluten in "Hostage", Kinder sterben und halten Waffen in ihren Händen. Da am Anfang bereits ein Kind brutalst geopfert wird, weiss man, dass Siri bereit wäre, Tommy zu killen. Nicht nur ihn: Jeden kann es erwischen. Und diese Unvorhersehbarkeit, wenn alle Karten auf dem Tisch liegen, macht "Hostage" hochspannend. Manche werden abgeschreckt sein durch die Gewalt und Siri zelebriert sie tatsächlich so unverfrohren, dass immer wieder der Sadist in ihm durchbricht - doch es geht um den Effekt und der rechtfertigt diesen Einsatz. Für ein erwachsenes Publikum, versteht sich. "Hostage" ist schliesslich ein harter R-Thriller, in Deutschland ein "ab 18"-Streifen (wenn überhaupt uncut) und für ein nervenschwaches Publikum nicht zu empfehlen.

Es gibt denn auch noch mehr zu lieben an dem Film. Willis etwa, der ebenso verletzlich wie heroisch sein kann. Die Rolle ist ihm beinahe auf den Leib geschrieben. Die Kids sind ebenfalls toll, die Kameraarbeit, der deftige Musikeinsatz und immer wieder die unkontrollierte Gewalt. Das alles gibt dem Film eine einzigartige Aura. Es ist weder der originellste, noch der logischste oder menschenfreundlichste Streifen - aber im Dienste von Action, Hochspannung und Angst um die Figuren finde ich, ist alles, was Siri tut, erlaubt. Und deshalb ist der Film erstaunlich gut. Ja sogar sehr gut. Löblich etwa auch Siris Mut, die Hintergründe um Pollacks Charakter sehr schwammig zu halten. Auf dieses Terrain will Siri gar nicht. Auch der Background der drei Killer-Kids bleibt vage. Sie sind letztendlich nur McGuffins. Siri gibt sich eben nicht lange mit Unwichtigem ab. Er bleibt an Willis' Charakter dran - bis zum deftigen Finale. Ein starker Film für starke Mägen!

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Roger Ebert (USA) 3/4
James Berardinelli (USA) 3/4
BBC (GB) 3/5
imdb


Hostel USA 2005
Horrorfilm
Reviewed 5.4.06

Regie und Buch: Eli Roth
Produktion: Quentin Tarantino
Mit:
Jay Hernandez, Derek Richardson, Eythor Gudjonsson, Barbora Nedeljáková, Jana Kaderabrova, Jan Vlasák

Eli Roth ist der beste Marktschreier Hollywoods. Er posaunte schon vor dem Release von "Hostel" heraus, dass er den blutigsten, unnachgiebigsten Horrorfilm aller Zeiten präsentieren würde. Und da er Quentin Tarantino als Produzenten an Bord holte, hörten natürlich auch alle zu. "Hostel" ist aber in keinem auch nur erdenklichen Mass ein Maximum. Weder an Brutalität, noch an Kompromisslosigkeit oder Härte. Es ist Routinehorror auf solidem Niveau mit einigen wahrhaft schrecklich guten Ideen und viel Nonsens. Und ohne die Eier, den nihilistischen Plot bis zum Schluss durchzuziehen.

Der von mir seit seinem Durchbruch mit "crazy/beautiful" gemochte Jay Hernandez spielt Paxton, der mit seinem schüchternen Kumpel Josh (Derek Richardson) durch Europa reist. Unterwegs haben sie den irren Isländer Oli (Eythor Gudjonsson) aufgegabelt, mit dem sie durch die Bars und Discos tingeln - stets auf der Jagd nach Drogen und willigen Mädchen. Ein junger Osteuropäer macht die dauergeilen Backpacker darauf aufmerksam, dass sie am leichtesten an Sex kommen, wenn sie in die Slowakei reisen. Gesagt getan: Das Trio schiebt Barcelona auf und reist gen Osten. In der Slowakei checken sie in eine nach aussen ziemlich schäbige Herberge ein - und siehe da: die heissesten Frauen, soweit das Auge reicht. Sogar Josh kommt endlich zu Sex. Doch nach einer langen Nacht ist plötzlich Oli weg. Gefolgt von Josh.

Wo sie landen, ist nach der Werbekampagne natürlich kein Geheimnis mehr: In einem Folterhaus, in dem reiche Menschen gegen Bares lebende Menschen quälen, misshandeln und töten können. Das ist das Kernstück des Films, das zwar erst weit nach der Filmhälfte überhaupt zum Zug kommt. Und es ist das Geniale an "Hostel". Wenn Paxton durch den Gang gezogen wird und wir kurz in die Zimmer blicken, in denen auf alle möglichen Arten gefoltert wird, dann ist das Hardcore-Horror der brillanten Art. Doch solche Momente gibts nur wenig. Selbst wer auf den totalen Folter-Exzess hofft, wird etwas enttäuscht. Erst muss man sich durch Sex, Drogen und Teenie-Lifestyle kämpfen.

Das ist immerhin noch halbwegs reizvoll. Nicht nur, weil Eli Roth (der ein Cameo im Amsterdamer Schuppen hat) ein geiler Ami ist und genüsslich die schönsten Damen Europas vor die Kamera lockt - nackt versteht sich - sondern auch, weil die Kombination von nackter Haut und Horror immer effektiv ist. Zum einen ist man nackt besonders verletzlich. Und zum anderen ist der Kontrast zwischen sexuellem Höhenflug und sadistischen Tiefschlag das heftigste Mittel, die Zuschauer durch eine Schock-Achterbahn zu lenken. Nur hätte ich mir da etwas mehr Mut gewünscht. Wer schon einen Hardcore-Horror macht, sollte auch Hardcore im anderen Bereich sein. Nicht Pornographie, aber etwas heisser. Das meiste hier wirkt wie eine billige Ami-Teeniekomödie. Hernandez & Co. sind gut, manche verführerischen Szenen auch, doch völlig "klick" macht es nicht.

Sinn der Sache ist neben dem oben genannten Kontrast auch die Karikierung amerikanischer Touris. Die drei Jungs sind definitiv nicht sympathisch und wer sie doch cool findet und sich mit ihnen identifiziert, der bekommt später beim Foltern natürlich einen mulmigen Magen. Es ist die schöne Ironie des Films, dass die Jungs, die nach exzessivem Spass suchen, Teil einer Spassmaschinerie der sadistischsten Art werden. Sie werden zum Objekt der Begierde der Folterknechte. Diese Umkehr ist einer der cooleren Aspekte an "Hostel". Und natürlich die Folter selbst, man möchte ja sehen, wie weit Roth geht. Zudem ist die Sozialkritik dabei offensichtlich: Auf der Suche nach dem immer genialeren Kick gehen Menschen soweit, andere Menschen zu quälen - und daraus kann man eine Industrie machen. Das ist heftiges Zeug.

Darum bin ich auf so aufgeschreckt, als Amnesty International sich dazu zu Wort meldete. Die Vorgeschichte: In Basel kam es zum Start von "Saw 2" zu einer Gewaltkontroverse. Der Film lief in Schweizer Kinos gut, doch als "Hostel" auf dem Programm stand, witterten Zeitungen den nächsten "Skandal" - namentlich das Gratis-Blatt "20 Minuten". Mit dumm-doofen Artikeln wie diesem hier. Der Kinobetreiber Kitag, der in der Schweiz bald ein Monopol hat, entschied daraufhin, nachdem die ersten Pressevisionierungen durch waren, den Film nicht zu zeigen. Selbstzensur aus Imagegründen? Lachhaft für einen kapitalistischen Monopolisten. Dem Verleih Buena Vista, der den Film kaum in 2-3 Kunstkinos hätte lancieren können, gab auf und cancelte den Start gleich ganz. Horror ist dadurch wieder da, wo er jahrelang war - im Heimmarkt. Kinoreleases werden es in Zukunft schwer haben.

"20 Minuten" nahm das triumphal zu folgendem Bericht zum Anlass: hier - das ist die Zeitung, die einen Tag davor schrieb, "King Kong" hätte ein mieserables Einspielergebnis erzielt. Sicher doch, bei Kosten von 207 Millionen und einem Einspielergebnis von 518 Millionen plus rekordverdächtigen 100 Millionen alleine in der ersten Woche durch DVD-Verkäufe in den USA: Flop am Arsch. Diese ach-so-kompetente Zeitung holt unter dem geisteskranken Lead "Folterszenen im Akkord" jedenfalls die Meinung von Amnesty ein, die meinen: "Folterszenen wie sie in Guantánamo oder Abu Ghraib wirklich geschehen sind, waren lange undenkbar. Solche Filme können eine Folge davon sein. Das unterstützen wir natürlich nicht". Sind die von allen guten Geistern verlassen? Den Film nicht gesehen und dann solchen Schwachsinn heraus lassen? "Hostel", wenn überhaupt eine Verbindung zu Abu Ghraib hergestellt werden muss, zeigt eben gerade, wie tief Menschen sinken können und dass die Hemmschwelle zum Foltern durch diese Foltergefängnisse gerade gesunken ist. Das ist ein Anti-Guantanamo-Film. Und "20 Minuten" bringt Amnesty dazu, solchen Schwachsinn zu verzapfen.

Nun steht der Film also menschenverachtender Brutaloexzess da, den es zu verbieten gilt. Wie aus einem relativ harmlosen Film eine aus allen Proportionen geratene Diskussion entstehen kann, wundert mich jetzt noch. Denn eben: "Hostel" setzt keine neuen Grenzen und er hat durchaus seine sozialkritischen Elemente. Der Rest ist ein Spassfilm, durchaus witzig, manchmal gelungen. Ich fand ihn teilweise öde, teilweise für das, was er vorgaukelt, zu wenig brutal - nicht, dass mehr Splatter ihn besser gemacht hätte, aber durch Elis Grosskotzerei hätte man mehr erwarten dürfen. Dann das alberne Finale. Es beginnt damit, dass Paxton ins Folterhaus zurückkehrt - eine Entscheidung, die durch eine Szene früher "erklärt" werden soll, in der Paxton erzählt, er habe ein Kind ertrinken sehen und seither plagen ihn Schuldgefühle. Die Szene kommt aus dem nichts und ich hab mich gewundert, was die soll. Sie dient eben als Erklärung für Paxtons Handeln später - doch das greift nicht. Und ausserdem ist das strukturelles Filmemachen aus der Primarschule.

Was danach kommt, ist eine seltsame Revenge-Fantasie, die dem Film alle Düsternis nimmt. Das Ganze wird absurd - und nur eine Szene mochte ich: Als drei Personen überfahren werden. Die bietet fast höllische Schadenfreude, die gut tut. Der Rest ist gaga, v.a. die Sequenz mit den Kindern, die ebenso unglaubwürdig wie lächerlich ist. Darüber sollten sich Amnesty und die Slowaken, die zugegebenermassen wirklich nicht gut weg komme, mehr aufregen als über die Folterszenen - die ja abgesehen davon ausländische Touristen wie Takashi Miike (schönes Cameo) begehen und nicht die Einheimischen.

Ich schreibe mir noch die Finger wund zu einem Film, der eigentlich gar nicht so viele Worte verdient. "Hostel" ist solider Horror, den man so viel besser hätte machen können. Mit weniger verklemmter erster Hälfte, mehr exzessiverer Folter, besserem Umgang mit der Angst in dieser lebensbedrohlichen Situation und einem düstereren Ende. Zudem müssten ein paar Glaubwürdigkeitsprobleme behoben werden. Als Ganzes ist er jedenfalls, trotz seinen Ambitionen, ein Rückschritt zu Elis Cabin Fever. Ich bin wohl neben dem Slant Magazine (Hostel 3, Cabin Fever 3½), mit dem ich sonst nie überein stimme, der einzige, der meint, "Cabin Fever" sei besser als "Hostel", aber für mich markiert "Hostel" eine verpasste Chance, während "Cabin Fever" ein guter Horror mit Abzügen war. Kämpfen werde ich für "Hostel" dennoch. Ins Kino braucht er gar nicht zu kommen, sonst wird die momentan Anti-Brutalitäts-Stimmung noch aufgeheizt in der Schweiz. Bevor dann Politiker in einer Profilierungssucht meinen, sie müssen Gesetze allgemein verschärfen und gegen Horrorfilme vorgehen, holen wir sie lieber von den Leinwänden zurück ins Heimkino-Land. Da sind sie sicherer und das Publikum finden sie trotzdem. Die ganze Diskussion ist nur lächerlich und da Horror bzw. Schock-Kino nie eine richtige Lobby haben wird, sehe ich auch schwarz für weitere Zensurschritte im sonst doch recht liberalen Helvetien. Kaum wo bekommt man so leicht eine Waffe, wie in der Schweiz. Jeder Soldat kann sie staatlich sanktioniert nach Hause nehmen. Und ausgerechnet hier meinen die Leute, "Hostel" schade den Menschen. Darüber müsste man berichten. Oder über das Monopol der Kitag. Aber eben: Die Waffenlobby gibts, die Horrorlobby nicht.

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James Berardinelli (USA) 2/4
Slant Magazine (USA) 3/4
imdb


In Her Shoes USA 2005
Tragikomödie
Reviewed 5.10.05

Regie: Curtis Hanson
Produktion: Curtis Hanson, Ridley Scott, Lisa Ellzey, Carol Fenelon
Executice Producer: Tony Scott
Buch:
Susannah Grant nach einem Roman von Jennifer Weiner
Mit: Cameron Diaz, Toni Collette, Shirley MacLaine, Mark Feuerstein, Richard Burgi, Ken Howard

130 Minuten! Das darf einfach nicht wahr sein. Es scheint, als wollen sich im Jahr 2005 alle Filmemacher gegenseitig mit unverhältnissmässigen Lauflängen übertrumpfen. Komödien wie Wedding Crashers und 40 Year-Old Virgin werden plötzlich zwei Stunden lang. Und banale Tränendrücker wie "In Her Shoes" toppen dies noch spielend. Dabei gibt es dafür keinen ersichtlichen Grund und alleine die Überlänge resultiert in einem Bewertungsabzug und Unterhaltungsdefizit. Die drei Sterne sind dementsprechend knapp und der Streifen dürfte eh nur romantisch verklärte Personen oder solche mit mehr Östrogen als Testosteron ansprechen. Ich? In Sachen Kino bin ich eine halbe Hausfrau, schliesslich schau ich mir Bollywood an und heule bei Melodramen. Ein Film wie dieser mit Suizid, Familienzusammenführung und ähnlichem hat also schon gewonnen. Alle anderen seien gewarnt.

Der Film dreht sich um die ungleichen Schwestern Maggie (Cameron Diaz) und Rose (Toni Collette). Maggie ist eine bildschöne, arbeitslose und etwas dümmliche Zeitgenossin, die zwar nie richtig lesen gelernt hat, aber dies in ihrem Leben auch nicht zu brauchen glaubt. In Bars bekommt sie Drinks, Männer steigen bei ihr ins Bett. Und jede Party endet im Vollrausch. Rose dagegen fühlt sich hässlich. Die Anwältin ist deshalb stolz, endlich einen Kerl ins Bett bekommen zu haben: ihren Boss Jim (Richard Burgi). Da muss Rose ihre mal wieder besoffene Schwestern von einer Fete abholen und bekommt sie fortan nicht mehr aus dem Haus. Maggie klaut Geld, verwüstet die Wohnung. Und als sie mit Jim schläft, wirft Rose sie raus. Zu ihrem Vater Michael (Ken Howard) kann sie nicht, da dessen Frau Sydelle (Candice Azzara) sie nicht ausstehen kann. Doch Maggie stösst in Papas Kommode auf Briefe von ihrer Oma - die an sie adressiert waren. Maggie reist nach Florida und trift ihre Grossmutter Ella Hirsch (Shirley MacLaine) in einer Seniorensiedlung.

Der Film hat etliche Nebenhandlungen und deckt ein grösseres Feld ab. Deshalb dachte Regisseur Curtis Hanson wohl, er benötige 130 Minuten. Dabei hätte Drehbuchautorin Susannah Grant ("Erin Brockovich") den Roman von Jennifer Weiner durchaus stutzen können. Zwischen den wirklich gelungenen Szenen gibts einfach zuviel Leerlauf. Das verwundert vor allem bei Curtis Hanson. Er hatte mit "L.A. Confidential" ein Meisterwerk abgeliefert, an dem keine Sekunde verschwendet war. Mit "Wonderboys" doppelte er nach. Der Film war langsam, aber sowas von schön, dass er hätte endlos dauern können. Anders "8 Mile", wo langsam der "geh auf Nummer sich"-Regisseur in Hanson emporkam. Und nun das. Kein Touch Originalität in der Inszenierung. Ein völliges Kommerzprodukt, das Hanson für die Scott-Brüder ohne den Hauch einer eigenen Handschrift abgedreht hat. Das ist der wohl enttäuschendste Aspekt des Films.

Doch er wird gerettet duch die bereits angeschnittenen tollen Szenen, vor allem jene, in denen Familienangehörige zusammensitzen und einfach nur reden. Oder ein paar zynische Sprüche. Mehr noch jedoch sind es die Akteure, die den Film zusammen halten. Cameron Diaz ist fast erschreckend glaubwürdig als dumme Tussi. Dass ihr ein bettlägeriger Professor das Lesen beibringt, gehört zu den etwas kitschigeren Episoden ihrer Charakterisierung. Aber das Resultat davon ist eine Sequenz, in der die Leinwand regelrecht aufleuchtet. Als ihr der Alte nämlich sagt, sie sei ein cleveres Mädchen, da taucht es auf: Das 1000-Watt-Lächeln von Miss Diaz, welches einfach unbezahlbar ist. Sie ist einfach bezaubernd - ob in Unterhöschen oder Bikini. Dafür lassen sich wohl sogar Männer in so ein Chick-Flick lotsen.

Toni Collette ist ebenso toll. Sie liefert die bessere schauspielerische Leistung als Diaz, die dafür beim Charme Punkte holt. Zusammen sind sie wunderbar - und werden bestens ergänzt von Shirley MacLaine, die dieser Tage zwar immer etwa dieselben Rollen spielt. Das macht in diesem Fall nicht viel aus. Dieses Damentrio ist so gut und ihre gemeinsamen Szenen manchmal so berührend, dass "In Her Shoes" dadurch bereits das Anschauen lohnt. Es hat Kitsch drin. Es hat Klischees. Die Gedichte sind wohl einfach zu viel. Und die seltsame Aussage, dass Rose als Karrierefrau nicht glücklich wird, jedoch als Hunde-Gassigeherin Erfüllung findet, hat etwas subversiv Rückschrittliches. Trotz alledem würde ich den Film allen ans Herz legen, die gerne durch Familiendramen berührt werden, die nicht so schrill sind wie etwa die Ya-Ya-Schwestern. Zuschauer, die schon feuchte Augen bekommen, wenn die Akteure zueinander sagen "let's talk". Oder "let's just hug".

James Berardinelli (USA) 2/4
Roger Ebert (USA) 3½/4
Slant Magazine (USA) 2/4
imdb


Jarhead USA 2005
Kriegsdrama
Reviewed 16.11.05

Regie: Sam Mendes
Kamera: Roger Deakins
Schnitt: Walter Murch
Mit: Jake Gyllenhaal, Peter Sarsgaard, Jamie Foxx, Lucas Black, Evan Jones, Chris Cooper

Die EInheit des Marines-Scharfschützen Swoff (Jake Gyllenhaal) sitzt weit über hundert Tage in der Wüste Saudi Arabiens und wartet von 1990 bis 1991 darauf, den Irak anzugreifen. "Jarhead" zeigt die Truppen vor und während dieser Zeit des Wartens. Bloss Krieg selbst bekommt man kaum zu sehen. Der Film basiert auf dem Bestseller von Golfkriegsveteran Anthony Swofford und wurde von Vietnamveteran William Boyles jr. ("Apollo 13", "Cast Away") adaptiert. Die beiden liefern faszinierende Einblicke in das Leben der US-Marines. Und ihres langen, anstrengenden Wartens.

Wer Kriegs-Action will, kommt am ehesten am Anfang in den Genuss eines spektakulären Helikopter-Angriffs. Nämlich von jenem aus "Apocalypse Now", zu dem "Jarhead" so manche Ähnlichkeiten aufweist. Die Marines gehen hier regelrecht ab während dem Angriff - eine imposante Sequenz, weil sie einem vor Augen führt, wie nahe beieinander Faszination und Abscheu liegen (ein Thema in "Apocalypse Now") und wie schnell eine durchaus auch kritisch gedachte Sequenz (Ausnutzung der militärischen Überlegenheit gegen wehrlose Zivilisten) als grandioser Triumph gedeutet werden kann. Aber die Sequenz ist auch aus anderem Grund genial: Walter Murch hat sie geschnitten. Der legendäre "Star Wars"-Cutter ist auch der, der "Apocalypse Now" geschnitten hat. Dass er hier seine eigene klassische Sequenz nochmals interpretieren kann, hat einen gehörigen Meta-Reiz.

Murch schneidet den ganzen Film famos und ich würde ihn schon jetzt zu den Anwärtern des Schnitt-Oscars zählen. Es ist nämlich nicht einfach, Langeweile zu porträtieren und dabei nicht ebenso langweilig zu sein - diesen Fehler begehen etliche Arthaus-Regisseure. Murch holt aus der Langeweile Spannung, macht aus dem Warten eine Zuspitzung des psychologischen Drucks.

Natürlich nicht nur Murch alleine. Auch einer meiner Lieblingskameramänner ist beteiligt: Roger Deakins. Er dreht erst ungemein realistisch, später albtraumhaft surreal. Wenn die Ölfelder lodern, zeigt "Jarhead" ein paar Bilder zum Niederknien. Und all dies geht natürlich durch die Hände des Regisseurs - Sam Mendes. Das Beachtliche dabei ist, dass dieser dritte Film von Mendes sich so rabiat von den anderen unterscheidet. Der Mann scheint keinen eigenen Stil zu haben, ausser der, dass er sich der Story unterordnen kann. Er inszeniert einfach toll und macht aus jedem Stoff etwas Eigenes. "Jarhead" ist sein bisher schwächster Film, aber was will das bei einem solchen Oeuvre schon heissen. Im Gegensatz zu "American Beauty" und "Road to Perdition" liessen mich diesmal die Figuren etwas kalt.

Jake Gyllenhaal spielt zwar phänomenal als Scharfschütze Swoff, aber seine Figur ist so "fucked up", dass man nie an ihn herankommt. Auch andere Figuren sind rollenbedingt distanzierter, als wir es von Mendes gewohnt sind. Sein Debüt war voller menschlicher Momente - und wer kann das Finale von "Road to Perdition" bzw. das unschlagbare Zusammentreffen von Tom Hanks und Paul Newman im Regen vergessen? So etwas gibt es hier trotz toller Szenen nicht. Das Resultat ist ein analytischerer Film. Aber zweifellos ein faszinierender.

Politisch lässt er sich schwer instrumentalisieren. Er hat Sympathie für die kämpfenden Männer und seine Ablehnung des Krieges ist nicht allzu deutlich. Das macht ihn aber durchaus reizvoll, denn auch das Vorbild "Apocalypse Now" lässt sich nicht so leicht einordnen. Und wie bei beinahe alle Kriegsfilme gibt uns Mendes einen Erzähler: Swoff. Der gibt zwar manche Plattheit von sich, aber oft ist sein monotoner Kommentar genau das Richtige. Der Erzähler verstärkt lediglich ein Problem, das ich mit dem Film hatte: Er präsentiert seine Denkansätze auf dem Tablett. Zwar kann man ihn verschiedenartig deuten, doch Mendes ist eigentlich nie subtil sondern trägt die Absicht jeder Szene so offen zur Schau, dass hin und wieder das Geheimnisvolle verschwindet.

Das ist ein wirklich kleines Manko, ebenso jenes der unterkühlten Figuren. Das Positive überwiegt. So etwa die konstante Sexualisierung jeder Aktion und ein paar köstliche sexuelle Beleidigungen ("look, it's a dick - just smaller"). Das ist zwar für einen Film über Grunts (Soldaten im Krieg) nichts Neues, aber hier beinahe auf die Spitze getrieben. Der Druck zwischen den Beinen scheint mit der gleichen Intensität anzusteigen wie der Druck im Kopf. Und dann gibt es eine Vielzahl von Szenen, die fulminant sind. Eben die Heli-Sequenz. Oder die Ankunft in der Wüste, bei der das Licht ändert. Und die brennenden Ölfelder. "Jarhead" macht nicht alles richtig, aber wenn er es tut, dann mit solcher Kraft, dass einem klar wird, was für einen meisterlichen Filmemacher wir in Sam Mendes haben.

Roger Ebert (USA) 3½/4
James Berardinelli (USA) 3½/4
Slant Magazine (USA) 1½/4
imdb


Kiss, Kiss, Bang, Bang USA 2005
Krimikomödie
Reviewed 23.8.05

Regie und Buch: Shane Black
Produktion: Joel Silver
Mit: Robert Downey jr., Val Kilmer, Michelle Monaghan, Corbie Bernsen, Shannyn Sossamon

Mit Drehbüchern zu Hits wie "Lethal Weapon" und "The Last Boy Scout" avancierte der junge Shane Black zu einer treibenden Kraft in Hollywood. Doch mit "Last Action Hero" und "The Long Kiss Goodnight" basierten nacheinander gleich zwei der notorischsten Flops (die ich übrigens beide mag) auf seinen Skripts und er war weg vom Fenster. Shane schrieb 1999 noch das Drehbuch zum Van-Damme-Filme "A.W.O.L.", danach war kreative Sendepause angesagt. Bis jetzt. Mit seinem "Lethal Weapon"-Produzenten Joel Silver und einem Mini-Budget von 15 Millionen Dollar gibt Black sein Autoren-Comeback und übernahm gleichzeitig zum ersten Mal die Regie.

"Kiss, Kiss, Bang, Bang" heisst das Werk und vereint einige von Blacks bekanntesten Zutaten - Buddy Movie, zynische Sprüche, Gewalt. Und dazu noch ein paar ganz neue Aspekte, namentlich Einflüsse des Film noir. Das Buch basiert auf dem Roman "Bodies Are Where You Find Them" von Krimiautor Brett Halliday (1904-77) und ist eingeteilt in Kapitel, deren Titel nach Raymond-Chandler-Romanen benannt sind. Aber Black ist nicht auf einen modernen Noir aus, sondern persifliert das Genre und dreht nebenbei eine Hommage an das nicht ganz saubere Los Angeles.

Im Zentrum steht der Kleindieb und ungewollte Schauspieler Harry Lockhart (Robert Downey jr.), unser Erzähler. Er macht Bekanntschaft mit der bildschönen Harmony Lane (Michelle Monaghan) und dem schwulen Detektiv Gay Perry (Val Kilmer). Vollgepinkelte Leichen und abgeschnittene Finger später stecken wir in einem Krimiplot, den ich gar nicht weiter ausführen will. Der grösste Reiz besteht darin, den irren Plot selber aufzudecken. Manches macht nicht viel Sinn, anderes ist zu wirr - doch die Atmosphäre eines Noir trifft dieser Plot perfekt. Downey jr. hält bisweilen den Film regelrecht an, schiebt Nebenhandlungen ein und waltet aktiv als Erzähler. Dadurch wird von Beginn weg klar, dass "Kiss, Kiss, Bang, Bang" nicht ganz ernst zu nehmen ist.

Dieses Gefühl verstärkt sich, wenn es zu bizarren Gewaltszenen, urzynischen Dialogen und absurden Situationen kommt. Eine echte Schenkelklopferkomödie ist KKBB indes nie. Denn, und das zieht den Film für mich am stärksten runter, Shane Black ist ein cooler, talentierter Drehbuchautor, aber in meinen Augen noch kein sehr guter Regisseur. Manche Szenen peilen einen Payoff an, der nicht kommt, andere lassen die besten Gags durch die Lappen gehen und wieder andere sind einfach zu öde umgesetzt. Mit einem besseren Regisseur wäre dies ein erstklassiger Film geworden. So ist er oberes Mittelmass.

Ich bin mir aber bewusst, dass er das Zeug zum Kult hat. Der Mix aus Zynismus, Gewalt und alltäglichem Wahnsinn ist zu gut, um ihn einfach abzutun. So mancher wird die unkonventionelle Herangehensweise lieben. Und die Akteure sind sowieso genial: Robert Downey jr. - herrlich als Antiheld mit Mathematik- und Grammatik-Defiziten. Michelle Monaghan mit ihren umwerfenden Beinen - einfach ein Genuss. Und Val Kilmer als etwas übergewichtiger Homo in einer maskulinen Paraderolle - brillantes Casting. Das alles hilft dem Film, sich umgehend als Geheimtipp, ja eben sogar als Kult-Tipp zu etablieren. Mir war er dazu schlicht nicht ganz gut genug. Soviel mehr hätte drin gelegen mit besserem Schnitt und besserem Herauskristallisieren der Pointen. Aber ich träume von einem Film, der nicht da ist. Der KKBB, der vorliegt, lohnt sich absolut anzusehen, wegen seinen irrwitzigen Einfällen, der kongenialen Besetzung und um zu sehen, wie die 90er-Ikone Shane Black seine Lieblingsthemen leicht variiert ins 21. Jahrhundert rettet.

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Last Days USA 2005
Drama
Reviewed 8.11.05

Regie, Buch und Schnitt: Gus Van Sant
Mit: Michael Pitt, Lukas Haas, Scott Green, Asia Argento, Nicole Vicius, Ricky Jay, Harmony Korine

Mit "Last Days" hat sich Gus Van Sant endgültig vom Mainstream verabschiedet. Nichts mehr erinnert an sein Meisterstück "Good Will Hunting", stattdessen suhlt er sich in so vielen Kunstfilm-Klischees, dass es nicht mehr schön ist. Elephant und "Gerry" markierten den Auftakt zu dieser stilistischen und inhaltlichen Odyssee ins Nirvana der Bedeutungslosigkeit, doch während Elephant immerhin seines schockierenden Inhalts wegen funktionierte, ist "Last Days", der Abschluss dieser losen Trilogie, nur noch ein hohles, langweiliges und selbstbeweihräucherndes Ding, das der Bezeichnung Film spottet.

Es handelt von den letzten Tagen im Leben von Kurt Cobain vor seinem Selbstmord. Da das Umfeld des 1994 dahingeschiedenen Sängers der Grunge-Band "Nirvana" wehrte sich jedoch gegen eine Biografie, weshalb Van Sant einen fiktionalisierten Bericht ablieferte und ihn Cobain widmete. Doch die reale Vorlage könnte deutlicher nicht sein. Alleine schon im Aussehen unseres Helden, Blake (Michael Pitt). Der ist aus der Rehabilitationsklinik geflohen und haust in einer abgelegenen Villa mit ein paar Freunden (Lukas Haas, Scott Green, Asia Argento, Nicole Vicius u.a.). Stundelnag irrt er murmelnd und geistesabwesend durch die Wälder. Tja, und das ist der Plot.

Die Idee dahinter ist bestechend: Den Suizid eines Rockstars nicht als glorifizierendes Abstiegs-Epos zeigen. Kein "The Doors", kein "Sid & Nancy". Von der ersten Einstellung an ist Blake schon so gut wie tot. Er reagiert nicht mehr auf die Aussenwelt, an seinem Verhalten ist rein gar nichts Glorioses. Suicide chic sucht man hier vergebens. Sogar der Tod selbst wird ausgespart. Die Leiche wird gefunden und während dem Abspann abtransportiert. Der Körper fällt als völlige Demystifizierung einmal von der Barre. Nur kurz sieht man, in einem der besseren Momente, die Seele eine Leiter empor klettern. Das ist das Maximum an Todespoesie, die uns Van Sant gönnt. Und für diese absolute Banalisierung des Freitodes gebührt ihm Respekt.

Aber mit welchen Mitteln? Kurt, sorry, Blake ist ein geistesverlassener, abgehobener und langweiliger Kerl. Van Sant filmt ihn genauso und genauso ist sein Film. Geistesverlassen, abgehoben und langweilig. Es gibt in diesem Film keine Erkenntnisse, keine Spannung, kein Humor, kein Tiefgang, keine Wahrheiten, keine Handlung, keine Logik, keine erkennbare dramaturgische Absicht. Nur beinahe zwei Stunden lang gepflegtes Ennui, gebettet in ein interessantes Klang-Design. Wie von seinem eigenen Genie muss ein Regisseur sein, um seinem Publikum solchen Scheiss zuzumuten? Ein paar Beispiele:

Blake stolpert aus dem Haus, als ein Detektiv auftaucht. Die Kamera folgt ihm und während er aus dem Bild geht, bleibt sie stehen. Sie zeigt einen Baum. Und bleibt drauf auf dem Baum. Minutenlang. Nichts passiert, wir sehen nur den Baum. Wenn das eine tiefere Bedeutung haben soll, ist sie mir entgangen. In einer anderen Szene sitzt Blake in einem Zimmer und schläft ein. Die Kamera wandert zu einem Fernseher und hält drauf. Was sehen wir? Ein Video der Band "Boyz 2 Men". Nicht ein paar Sekunden, nein, fast das ganze verdammte Video. Was als ironischer Kontrast gedacht sein mag, gerät zur Peinlichkeit und wenn tatsächlich ein gewisser Sarkasmus drinsteckt, prügelt Van Sant ihn den Zuschauern ein. Der Gipfel der Unverschämtheit: Manche Szenen wiederholt Van Sant aus minim anderer Sicht, ohne dass daraus grosser Nutzen erkennbar wird. Alle "neue" Information im zweiten Durchlauf hätte genausogut im ersten gezeigt werden können. So müssen wir denselben Scheiss einfach zweimal anschauen.

Solche Dinge sind es, die mich an meiner eigenen Gilde zweifeln lassen. Roger Ebert gab dem Film 4 Sterne. Das Maximum. Die Bestnote also für eine 97 minütige Geduldsprobe, die aus Nichts besteht. Ein Regisseur wackelt unendlich lange hinter seinem murmelnden Protagonisten her und stellt seine Kamera zwischendurch in sinnlosen Halbtotalen auf. Ende. Schluss. Alleine schon darüber zu schreiben macht mich rasend.

"Last Days" ist eine Spur besser als der seelenverwandte Brown Bunny, v.a., weil es ein paar ironische Szenen gibt (der Besuch des Yellow-Pages-Mannes, der Besuch zweier christlicher Jung-Missionare) und weil Michael Pitt tausendmal besser spielt als Vincent Gallo. Ja, Pitt agiert wirklich gut und kanalisiert Cobain blendend, auch wenn er zum wandelnden Klischee wird (was sogar einmal angesprochen wird und beinahe Meta-Charakter bekommt). Auch die anderen Akteure sind formidabel - sie tragen ihre echten Vornamen und sind teilweise kaum erkennbar. Aber in etlichen Szenen glänzen sie, selbst in einer unnötigen aber für sich alleine betrachtet schönen kurzen Gay-Bettszene zwischen Lukas Haas und Scott Green. Van Sant hat ein nicht unterdrückbares Verlangen, in jeden seiner Filme eine Schwulenszene einzubauen. Und während dies in Elephant eine gefährliche Assoziation erzeugte, so ist sie hier bloss ... belanglos.

Wieder dieses Wort. Es zieht sich durch den Film wie ein roter Faden. "Last Days" ist so prätentiös, das man danach jemanden für diesen Bockmist ohrfeigen möchte. Der Film macht wütend, nicht weil er selbst Emotionen auslösen würde, sondern weil man weiss, dass ihn manche Kritiker in den Himmel loben. Man möchte sie durchschütteln und sie zu Sinnen holen - denn es kann doch nicht sein, dass ein kollektives Delirium sie dazu treibt, in so einem Quark ein Meisterwerk zu erkennen. Was ist mit diesen Kritikern passiert? Wann haben sie den Glauben an echtes Kino verloren? Wann wurden sie indoktriniert von einer Idee, dass ein andersartiger Film auch automatisch gut sein muss? Wann wurde Ennui, Langeweile und Weltverlassenheit zum Massstab aller Qualität?

"Last Days" tut nichts, erreicht nichts und ist nichts. Es ist eine Arthaus-Masturbation eines Regisseurs, der nur noch für eine kleine Gruppe von Menschen Filme dreht, die meinen, Hollywood gehöre beerdigt und die Kinos gefüllt mit Menschen, die durch Wälder wandern und murmeln. "Last Days" platziert sich damit in die Liga von Filmen wie Tropical Malady, die in Cannes und an anderen Festivals Top-Kritiken bekommen von Leuten, die den letzten "Star Wars" schon aus Prinzip nicht anschauen würden. Aber genau darum gehts: Man fühlt sich wohl in der eigenen Exklusivität und lobt, was ungewöhnlich ist.

Nein, dieser Film ist ein schlechter Witz. Und wir Zuschauer die Verarschten.

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Roger Ebert (USA) 4/4
BBC (GB) 2/5
Slant Magazine (USA) 3½/4
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A Lot Like Love USA 2005
Liebeskomödie
Reviewed 30.5.05

Regie: Nigel Cole
Mit: Ashton Kutcher, Amanda Peet, Gabriel Mann, Jeremy Sisto, Taryn Manning, Aimee Garcia, Ali Larter,
Lee Garlington, Birdie M. Hale, Tyrone Giordano

Ich mag Ashton Kutcher und Amanda Peet. Damit gehöre ich wohl eher zu einer Minderheit. Aber ihr Film "A Lot Like Love" ist trotzdem ein Reinfall. Die Teenie-Variante von "When Harry Met Sally" ohne dessen Witz und Genie, wird zu einer 08/15-Romantic-Comedy ohne Intelligenz, Innovation und Spannungspotenzial. Dass sie sich kriegen ist bei diesem Genre ja nie die Frage. Aber das wie ist interessant. Sollte es auf jeden Fall sein. In diesem Werk von Nigel Cole ("Calendar Girls") wünscht man sich jedoch ziemlich schnell, die beiden würden nicht andauernd an sich vorbei quasseln und sich endlich gestehen: Ja, ich will dich mein Leben lang vernaschen und nicht nur immer dann, wenn wir uns sehen. Oder romantischer: Ich liebe dich.

Genau diese Worte sagen sie am Anfang natürlich nicht. Aber Oliver (Ashton Kutcher) erblickt am Flughafen die rebellische Emily (Amanda Peet), die sich vor seinen Augen von ihrem Freund trennt. Oliver guckt sie an - ist aber zu schüchtern, sie anzusprechen. Auf dem Flug nach New York ergreift sie deshalb die Initiative und dringt zu ihm ins Bord-WC ein, um ihn in den Mile-High-Club einzuführen. Nach dem Sex will sie ihn fallen lassen, doch Oliver hängt sich wie eine Klette an sie und sie verbringen ein paar schöne Tage in New York. Er erklärt ihr, dass er in etwa fünf Jahren eine Firma leiten wird, ein Haus haben wird und dann eine Frau sucht. Emily wäre eine Wahl. Sie lachen - und trennen sich. Fortan sehen sie sich alle paar Monate mehr oder weniger zufällig wieder. Mal hat der eine eine kaputte Beziehung hinter sich, manchmal die andere.

Und mit jedem Mal ist es offensichtlicher, dass das einzige, was ihnen im Weg steht, das Drehbuch ist. So konstruiert sind ihre Treffen, so absehbar ihr Verzicht. Bei "When Harry Met Sally" passierte dies viel natürlich und man wünschte den beiden alles Glück der Erde. Ihren 2005er-Gegenstücken würde man indes lieber eine Ohrfeige verpassen, damit sie endlich zu Sinnen kommen. Das ist nicht die Schuld von Ashton und Amanda, die ganz okay spielen und ein paar gelungene Momente zusammen haben. Aber der Film erlaubt ihnen wenig Spielraum und beliefert sie mit drögen Dialogen, schwachen Zufällen und vermasselten Szenen. Nicht zu sprechen von den tonnenweise Klischees wie dem plötzlichen Fotografier-Hobby, der sanften Rebellin, dem sexy Loser und der toten Mutter. Gähn. So werden die rund 100 Minuten wahnsinnig lang. Vor allem am Schluss fehlt jegliches Tempo und man wünscht sich unter anderem, der taubstumme Bruder, der zum Ganzen nicht viel beiträgt, würde verschwinden. Wieso ist er dabei? Um zu beweisen, wie politisch korrekt die Filmemacher sind? Als guter Geist? Keine Ahnung. Aber das fragt man sich bei den meisten stereotypen Nebenfiguren. Und so bleibt am Schluss nur ein Wortspiel in Englisch, das sich einfach aufdrängt: "A Lot Like Love" is a lot like crap.

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Roger Ebert (USA) 1/4
James Berardinelli (USA) 3/4
Slant Magazine (USA) 2½/4
imdb


Madagascar USA 2005
Trickfilm
Reviewed 2.6.05

Regie: Eric Darnell, Tom McGrath
Musik: Hans Zimmer
Sprecher: Ben Stiller, Chris Rock, Jada Pinkett-Smith, David Schwimmer,
Sacha Baron Cohen, Cedric the Entertainer, Andy Richter, Tom McGrath

Das durchschnittliche Niveau der computeranimierten Trickfilme ist gesunken, auch wenn viele noch immer recht gut sind. Wenige sind so brillant wie Pixar. Auch "Madagascar" nicht. Er ist eine Spur besser als Fox' Robots und nicht mehr so Insider- und Popkultur-überladen wie DreamWorks Shark Tale, aber es fehlt deutlich an Innovation. DreamWorks und "Antz"-Regisseur Eric Darnell gingen mit diesem Streifen schlicht auf Nummer sicher. Der Plot ist einfach: Löwe Alex (Ben Stiller), Zebra Marty (Chris Rock), Nilpferd Gloria (Jada Pinkett-Smith) und Giraffe Melman (David Schwimmer) leben im Zoo von New York. Während Melman chronisch krank ist und Superstar Alex glücklicher kaum sein könnte, hat Marty den Drang, in der Wildnis zu leben. Also bricht er eines Nachts aus, um nach Connecticut zu gelangen. Seine Freunde wollen ihn zurückholen und werden alle am "Central Station" gefasst. Tierschützer setzen daraufhin durch, dass die Viecher in ihre Heimat überführt werden. Doch unterwegs kapern die Pinguine, die nicht nach Afrika wollen, das Schiff uns steuern die Antarktis an. Alex & Co. fallen vom Schiff und stranden auf Madagaskar. Sie glauben, sie seien in San Diego gelandet, doch die Lemuren um König Julian (Sacha Baron Cohen) klären sie auf.

Die erste Filmhälfte im Zoo ist deutlich besser strukturiert, aber einfach nicht sehr komisch. Das liegt daran, dass die Hauptfiguren nicht ideal sind. Melmans Hypochonder-Anfälle hat man schnell gesehen, die kurze Singerei nervt, das Gerede von der Wildnis auch bald. Und Chris Rock ist ein Reissnagel im Trommelfell. DreamWorks hat bislang immer schwarze Schauspieler für zentrale Sprechrollen engagiert. Esel Eddie Murphy fand ich noch klasse, Fisch Will Smith soso lala und Chris Rock ist nur noch schlecht. Als nächstes holen sie hoffentlich nicht Chris Tucker! Aber auch Ben Stiller kanns eigentlich besser. Er wirkt grässlich blass. Das fundamentale Problem ist einfach, dass diese vier Hauptfiguren nicht cool sind, nicht witzig und nicht spannend. Sie sind weichgewaschen. Viel besser sind einige Nebenfiguren.

Zum Beispiel die psychotischen Soldaten-Pinguine. Sie sind schlicht klasse, ihre Aktionen ein Brüller. Und wenn sie endlich in der Antarktis stehen, haben sie den wohl besten Satz des ganzen Films. Ebenso witzig fand ich die Lemuren. Drei davon, jedenfalls: Da ist der Maus-Lemur, gesprochen von Andy Richter, der einfach zum Knuddeln ist (à la Shrek 2-Büsi) und deshalb von den Kollegen als Lockvogel missbraucht wird. Herrlich. Des Königs Handlanger wird gesprochen vom stets relaxten Cedric the Entertainer. Sein Zusammenspiel mit Sacha Baron Cohen gehört zum Besten im Film. Sacha ist bekanntlich Komiker Ali G und hier bringt er einen Akzent irgendwo zwischen Exil-Inder und Inspector Clouseau fertig. Ich als Sellers-Fan hab mich schlagartig in diesen überheblich-dummen Ton verliebt.

Deshalb ist die zweite Hälfte auch die witzigere. Kein albernes Geschnorr, dafür mehr Humor und Action. Dumm nur, dass dieser Teil des Films dafür an einem Null-Plot leidet. Die ganze "Alex kriegt Hunger"-Story wird so lange ausgedehnt, bis gar kein Plot mehr da ist. Als Ganzes wirkt "Madagascar" deshalb unausgeglichen: Eine besser konstruierter Anfang, ein witzigerer zweiter Teil. Dazu routinierte, aber nicht gerade spektakuläre Musik von Hans Zimmer (der kurzfristig für Harry Gregson-Williams einsprang), durchschnittliche Animation mit mässigen Hintergründen und starker Comic-Abstrahierung der Figuren. Ausserdem teilweise geglückte Film-Anspielungen auf "American Beauty", "Planet of the Apes", "Carriots of Fire", "Cast Away", "Hannibal" (herrlich) und andere. "Madagascar" ist also sicher nicht ein Must-See, aber gefällige Unterhaltung ohne Anspruch auf Tiefgang, Neuigkeit oder Lachattacke. Aber alleine schon wegen den Pinguinen und den Lemuren dürfte der Film (in der Originalfassung, versteht sich) niemanden ganz kalt lassen.

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Roger Ebert (USA) 2½/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
Slant Magazine (USA) 2½/4
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Mein Name ist Eugen CH 2005
Familienkomödie
Reviewed 22.7.05

Regie und Buch: Michael Steiner
Mit: Manuel Häberli, Janic Halioua, Dominic Hänni, Alex Niederhäuser, Beat Schlatter, Mike Müller, Patrick Frey, Sabina Schneebeli, Monica Niggeler, Stefan Gubser, Viktor Giacobbo, Max Rüdlinger, Jürg Löw, Stephanie Japp, Stephanie Glaser, César Keiser, Hansi Leutenegger, Nella Martinetti

Achtung, fertig, Charlie! mag nicht der beste Film gewesen sein, aber er gab dem populären Schweizer Kinoschaffen neuen Antrieb. Vor allem die Jugend wurde jenseits von Nötzlis und Läpplis als neue Zielgruppe erkannt. Ein Jahr darauf zerschmetterte der unsägliche Ring Thing indes wieder alle Träume von einer brauchbaren eidgenössischen Mainstream-Kinoszene. Nun tritt "Mein Name ist Eugen" an. Mit einem Budget von happigen sechs Millionen Franken drehte Michael Steiner ("Nacht der Gaukler", "Grounding") diese Adaption des Buchs von Klaus Schädelin - das ich zu meiner Schande nie gelesen habe. Nach dem Film muss ich sagen "wieso auch?", denn der Plot ähnelt hunderten gleich gelagerter Bubenabenteuer in Film und Literatur. Einfach mit einem Touch mehr "Swissness".

Im Zentrum steht natürlich der titelgebende Eugen (Manuel Häberli), der 1964 mit seinen Eltern (Mike Müller, Monika Niggeler) in Bern wohnt. Eine Etage, höher residiert sein bester Freund Franz, genannt Wrigley (Janic Halioua), mit seinen Erzeugern (Patrick Frey, Sabina Schneebeli). Die beiden Buben und ihre Kumpels, der dümmliche Eduard (Alex Niederhäuser) und das "Meitschi" Bäschteli (Dominic Hänni), haben vor allem Streiche im Kopf, die sie immer wieder in Schwierigkeiten bringen. Als Eugen und Wrigley jedoch das ganze Haus demolieren, droht die Abschiebung in ein Internat. Das Pfadilager können sie vergessen. Also nehmen die zwei Reissaus und beschliessen, nach Zürich zu düsen. Dort soll der sagenumwobene Fritzli Bühler (Beat Schlatter) leben, der König aller Lausbuben, der ihnen sicher die Schatzkarte des Titicaca-Sees abkauft, die sie in Tante Melanies (Stephanie Glaser) Estrich gefunden haben. Unterwegs geraten sie jedoch dummerweise an die Pfadi-Truppe und rekrutieren Bäschteli und Eduard für ihren Trip.

Diese Geschichte ist selbstredend reichlich bieder. Sie ist 1955 entstanden und kaum modernisiert worden, vielleicht durch ein paar "Huere"-Fluchwörter, die nicht gerade zeitgerecht sind. Aber die Bünzlihaftigkeit der Geschichte - und sie ist bünzlig, machen wir uns nichts vor, selbst die Streiche der Buben sind harmlos - kommt dem Film beinahe zu Gute. Michael Steiner bedient sich nämlich eines angenehm romantischen Looks. Die Outfits der Jungs, die vielen typisch schweizerischen Uniformen und die Gerätschaften der 60er lassen vor allem die Herzen der älteren Zuschauer höher schlagen. Dazu passend eingesetzte Lieder von Vico Torriani und vergangenen Schulstunden ("Wenn eine tannigi Hose hät") machen den Trip in eine Zynik-freie Welt perfekt. Ein wenig Ironie gibts trotzdem, aber angenehm dosiert, ohne sich über die Vorlage lustig zu machen.

Die Darstellerriege dazu ist beeindruckend. Bei den Erwachsenen liefern sich Mike Müller und Patrick Frey die besten Fights. Hin und wieder verkommt der Humor zwar zum typisch Schweizerischen "ich fluche, also bin ich lustig"-Syndrom, aber die zwei sind eine Gaudi. Der Basler Jürg Löw als dritter Papa ist mit seiner aristokratischen Art nicht minder komisch. Die Frauen der dreien stehen etwas zurück, haben aber auch immer mal wieder eine Pointe. Die kürzeren Auftritte sind bemerkenswert - Viktor Giacobbo amüsiert als Polizist, Hansi Leutenegger eilt kurz durchs Bild und Nella Martinetti ist gar nicht so schlecht, wie man denken könnte, als Dame, die Beat Schlatter einen TV abkauft. Schlatter hat im Übrigen nicht viel Dialog und ist sparsam eingesetzt. Seine Einführung am Anfang ist am witzigsten. Steiner bedient sich dort zwar eines Stils à la "Amelie", um die Geschichte und die Protagonisten gewitzt und im Eiltempo einzuführen, aber es funktioniert. Vor allem wirds nie langweilig. Diese Taktik behält er den Film hindurch bei: Droht Schnarch-Gefahr, erhöht er das Schnitttempo oder oder gleich die Abspielgeschwindigkeit. Das kann man als Stilspielerei abtun, aber ich mag solche Dinge ja durchaus noch.

Letztendlich darf man natürlich die Buben nicht vergessen. Hier plädiere ich dafür, den Film in "Mein Name ist Franz" umzubenennen. Zuerst einmal, weil Eugen-Darsteller Manuel Häberli nicht ideal ist. Der Jungdarsteller mit Prinz-William-Look bleibt blass. Als Erzähler ist er mit dem gestelzten Hochdeutsch köstlich, doch sein Spiel kommt energielos herüber - und dies für einen Lausbuben dieser Grössenordnung. Nö, das tats nicht für mich. Franz dagegen ist ein richtiger Bub aus der 60er-Nostalgie-Kiste. Janic Halioua spielt ihn auch auf ganz natürliche Weise. Fairerweise muss man betonen, dass sein Part mehr Fleisch am Knochen hat als jener des Eugens, aber auch sonst stielt er den anderen Jungs meistens die Show. Um als Mädchenherzen-Eroberer durchzugehen, muss er von den vieren halt auch am besten ausschauen. Dominic Hänni und Alex Niederhäuser ergänzen das Quartett ganz witzig.

Wenn man will, kann man sich natürlich an vielem stören - ich tat es auch. Die Latrine-Szene mit Gummi ist infantil (das lakonische "ja, der da" ist aber perfekt), das Gefluche der erwachsenen Komiker ist mit der Zeit abgegriffen, der Plot bleibt flach, die Zürcher Rocker sind doof, das Ende ist schlicht und einfach vergeigt - und die Freundschaftsbekundungen sind so klebrig, dass man manchmal beschämt auf den Boden schauen möchte. Solche Dinge klappen besser ohne Worte (vergleiche "Stand By Me") als mit Dialogen, bei denen sich die Balken biegen. Aber als Familienkomödie funktioniert "Eugen" trotzdem. Die verschiedenen Altersgruppen werden bestimmt über andere Aspekte lachen, aber alle können sich über Swissness, Bubenstreiche und Nostalgie-Look freuen - und über jede Menge Stars. Szenen wie die Konfrontation mit dem Polizisten im Tessin oder Franz' erste amourösen Erlebnisse sind absolut gelungen, der Gesamteindruck des Films bleibt klar positiv. Teenies dürfte der Film nicht in solchen Scharen ins Kino locken, wie es "Charlie" getan hat, deshalb ist fraglich, ob dessen Zuschauerzahl geknackt wird. Aber die Chancen stehen dank generationsübergreifender Gefälligkeit durchaus gut für "Mein Name ist Franz". Ich meine "Eugen".


Miss Congeniality 2: Armed and Fabulous USA 2005
Komödie
Reviewed 2.3.05

Regie: John Pasquin
Buch und Executive Producer: Mark Lawrence
Produktion: Sandra Bullock
Mit: Sandra Bullock, Regina King, Enrique Murciano, Treat Williams, William Shatner, Ernie Hudson, Heather Burns, Diedrich Bader

Dieser Film war wirklich nicht nötig. "Miss Congeniality" aus dem Jahr 2000 hatte seine Momente, kann aber kaum als Klasse-Komödie durchgehen. Doch der Streifen machte Kohle und da Hauptdarstellerin Sandra Bullock schon lange keine Hits mehr landen konnte und weil sie auch noch Produzentin von "Miss Congeniality" war, wurde das Sequel iniziiert. Mit entsprechend dürftigem Resultat. Das Drehbuch von Bullock-Freund und Two Weeks Notice-Regisseur Mark Lawrence ist unbeschreiblich fad und holprig, die Regie von John Pasquin ("Jungle 2 Jungle") uninspiriert und die Darsteller zwischen okay und unausstehlich. In letztere Kategorie fällt leider William Shatner, der im ersten Teil noch selbstironisch war, diesmal bloss noch peinlich.

Aber von Anfang an: Sandy spielt erneut FBI-Agentin Gracie Hart, die vor ein paar Wochen bei den "Miss United States"-Wahlen den zweiten Platz erhaschte, dabei wollte sie doch nur undercover einen Fall lösen. Nun ist ihr Gesicht so bekannt, dass sie nicht mehr im Aussendienst eingesetzt werden kann. Um einem Bürojob zu entgehen, willigt Gracie gegenüber ihrem Boss McDonald (Ernie Hudson) ein, das "Face of the FBI" zu werden, die schöne Repräsentantin der Behörde. Als ihr Bodyguard soll Sam Fuller (Regina King) walten, eine toughe Agentin, die wegen ihren Aggressionen schon aus etlichen Abteilungen rausflog. Sam hasst Gracie und Gracie wächst bald so in ihre Vorzeigedame-Rolle hinein, dass Sam sie nur noch irritiert. Doch da sind die Kräfte beider gefragt, denn Kidnapper haben "Miss United States" Cheryl (Heather Burns) und Zeremonienmeister Stan (William Shatner) in ihre Gewalt gebracht.

Wie gesagt: Der Plot ist zum Heulen. Keine Spannung, schwache Dramaturgie, keine packende Auflösung. Bloss ein Dahindümpeln in den Fahrwassern der Hollywood-Klischees. Das gilt auch für die Figuren. Die Idee eines weiblichen Buddy-Movies mit zwei ungleichen Partnerinnen ist witzig und spaltet eigentlich die Gracie des ersten Films in zwei Rollen (sexy Gracie, toughe Sam) - doch die wenig guten Wortwechsel und Streitereien, die die beiden haben, vermögen über die Längen nicht hinweg zu täuschen. Regina King ist trotzdem das Highlight des ganzen Films. Bullock grunzt sich durch den 08/15-Part und sieht in den unvorteilhafteren Shots ein wenig aus wie der Green Goblin in "Spider-Man". Einst war sie ein richtiger Charmebolzen, heute ist sie etwas zu alt für das "süsse Mädel von Nebenan" und etwas zu maskulin für die sexy Kleider. Sie spielt auch nur bescheiden gut. Eine Szene muss sie alleine am Telefon tragen: Da Benjamin Bratt nicht mehr mitmachen wollte (oder durfte) wird er ganz plump aus dem Drehbuch geschrieben und Gracie soll leiden. Nicht eine Sekunde funktioniert dies. Die anderen Schauspieler sind eh nur Staffage. Bis eben auf Shatner. Der blamiert sich.

Das schlimmste Vergehen des Films ist jedoch seine Überlänge. Auf fast zwei Stunden ausgewalzt werden die paar Gags schrecklich dünn verteilt und der ganze Film wird langatmig. Für eine Komödie ist dies natürlich Gift, vor allem, weil John Pasquin aus kaum einer Szene gross Pepp rausholen kann. Nein, dieser Film war wirklich nicht nötig und nein, er ist nicht gut. Ein treffender Indikator dafür sind die Outtakes während dem Abspann: Wenn selbst die nicht lustig sind, ist dies meist ein sehr mieses Zeichen für einen Film.

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Roger Ebert (USA) 1½/4
James Berardinelli (USA) 1/4
BBC (GB) 2/5
Slant Magazine (USA) 1/4
imdb


Monster-in-Law USA 2005
Komödie
Reviewed 11.5.05

Regie: Robert Luketic
Mit: Jennifer Lopez, Jane Fonda, Michael Vartan, Wanda Sykes, Adam Scott, Annie Parisse, Monet Mazur, Elaine Stritch

"Monster-in-Law" hat wenig Potenzial, zumal das ganze Konzept des Films bereits im Titel steckt. Zu Beginn verguckt sich Charlotte (Jennifer Lopez) in den smarten Doktor Kevin (Michael Vartan) und das einzige, was man im Kopf hat, ist: "Wann taucht endlich die böse Schwiegermutter auf?" Die ganze Romanze wirkt dadurch noch flacher als in solchen Genres üblich. J.Lo spielt mit halbem Charme, doch das Glamour-Girl schon wieder als ein "Mädchen von Nebenan" zu sehen, strapaziert die Glaubwürdigkeit langsam. Und Vartan besitzt in etwa das Charisma eines von trockenem Brot.

Aber es gibt hie und da ein paar Lacher, die Regisseur Robert Luketic ("Legally Blonde") einbaut. Mit dem Auftauchen der titelgebenden Schwiegermutter in spe wird alles besser: Jane Fonda. Es ist der erste Film von Hollywoods Vorzeige-Linker der 70er und Aerobic-Frontfrau der 80er seit 15 Jahren! Über zehn Jahre war sie mit Medienmogul Ted Turner zusammen und nun gibt sie vier Jahre nach der Scheidung ihr grosses Comeback. Leider versucht sie alles Versäumte in einer Rolle nachzuholen und agiert derart überdreht und unter Starkstrom, dass man des öfteren vom eigentlichen Film abgelenkt wird. Doch eben, der Film bekommt Pep, wenn J.Lo und Fonda die Klingen kreuzen. Fonda spielt die Fernseh-Diva Viola, die vom Sender ausrangiert wurde. In ihrer letzten Show interviewt sie ein Britney-Lookalike und als dieses erzählt, es gucke gerne sehr alte Filme wie "Grease" und "Legally Blonde" springt Viola ihr an die Gurgel. Kaum als psychiatrischer Behandlung entlassen, erfährt sie, dass ihr Sohn eine Freundin hat. Und der macht er auch noch vor Mama einen Heiratsantrag. Der Krieg zwischen den Frauen um die Gunst von Kevin beginnt.

Fonda, mittlerweile 67 Jahre alt, ist natürlich gereift, aber sie sieht immer noch beeindruckend aus für ihr Alter. Und trotz dem überkandidelten Spiel ist sie sicherlich ein kleines Highlight des Films. J.Lo ist okay, ihre Selbstironie betreffend ihrem Hintern ("I have two asses!") ist entwaffnend. Unter den Nebendarstellern darf Wanda Sykes die vorlaute schwarze Assistentin spielen und Elaine Stritch gibt gegen Schluss einen Kurzauftritt, den die Leute des Slant Magazines so wunderbar als "diva ex machina" bezeichnen. Doch trotz soliden Akteuren ist "Monster-in-Law" einfach ein Reinfall. Die Scherze werden immer infantiler und der Plot ist wie bereits erwähnt von Anfang an vorgegeben. Bis zum missratenen Ende. In manchen Szenen, bei denen Luketic unter die Würde der Aktricen geht, tun einem die Diven nur noch Leid. Sie haben Besseres verdient, als diese 08/15-Produktion, der Innovation und Frische völlig abgehen. Ich habe mehr gelacht als bei Miss Congeniality 2. Aber das habe ich bei der Bundeshausdebatte über die Abschaffung der Stempelsteuer auch.

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James Berardinelli (USA) 1½/4
Slant Magazine (USA) 1/4
imdb


Must Love Dogs USA 2005
Liebeskomödie
Reviewed 15.8.05

Regie und Buch: Gary David Goldberg
Mit: Diane Lane, John Cusack, Elizabeth Perkins, Dermot Mulroney, Christopher Plummer, Stockard Channing, Ali Hillis, Julie Gonzalo

Viel gibt es zu der zuckersüssen, aber belanglosen Liebeskomödie nicht zu sagen: Sarah (Diane Lane) ist geschieden. Ihre Familie drängt sie in eine neue Beziehung, Schwester Carol (Elizabeth Perkins) empfiehlt ein Online-Inserat - auf das beisst unter anderem Jake (John Cusack) an. Während sich Sarah langsam an den ebenfalls geschiedenen "Dr. Schiwago"-Fan herantastet, verliebt sie sich in Bob (Dermot Mulroney), dem Vater einer ihrer Schüler.

Wies ausgeht ist klar, doch bei romantischen Komödien zählt natürlich das "wie". Zugegeben, manche Stellen sind richtig schön, einige witzig - und so mancher Spruch fährt ein. Aber gerade diese Sprüche fand ich seltsam platziert. Nach jeder Liebeserklärung, nach jeder Szene, bei der ein Charakter sein Herz öffnete, folgte ein schlauer, zynischer Spruch. Als sei der Film zu feige, zu seinen Gefühlen zu stehen. Klar, die Charaktere sind das auch - aber wenn dieses System den ganzen Film durchgezogen wird, verliert es seine Kraft.

Der Geschichte, basierend auf Claire Cooks Bestseller Must Love Dogs (alias Frau mit Hund sucht Mann mit Herz), hat Regisseur Gary David Goldberg in seiner erst zweiten Regiearbeit nach "Dad" (1989 mit Jack Lemmon) uninspiriert und voraussehbar umgesetzt. Gegen Ende gibts sogar noch einen etwas plumpen dramaturgischen Kniff, um die überflüssige Person loszuwerden. Die Dialoge sind passabel, es stecken viele kleine Wahrheiten in den Aussagen, aber ebenso viele Klischees. Die Figuren sind sympathisch, die Darsteller ebenso. Vor allem Diane Lane. Die Unfaithful-Fremdgeherin ist eine der Frauen, die auch mit Falten auf der Stirn sehr attraktiv sind. Es ist sowieso eine Freude, eine Liebesgeschichte mit einer reifen Person zu erleben, anstatt die x-te Pickel-Lovestory um Kids, die erst gerade von Mamas Brust gelassen haben. John Cusack, ein Jahr jünger als Lane, gibt einen guten Gegenpart ab, wobei er schon viel bessere Rollen gespielt hat.

Ein Wort noch zu Christopher Plummer: Er spielt auf rührende Art Sarahs Vater und hat eine der peinlicheren Szenen im Film zu verantworten (und sie ist noch witziger, wenn sich danach alle darüber lustig machen) - aber er hat auch eine der seltsameren Moral-Stellen im Film. Als Sarah fragt, wieso er drei Frauen gleichzeitig um sich habe, wo ihn doch eine (Stockard Channing) wirklich liebt, antwortet der Witwer: Er habe seine grosse Liebe schon erlebt und werde nie mehr so lieben können. Es folgt schöne Musik und man denkt, ja, das ist romantisch - aber trotzdem gibt es eigentlich keine Erklärung für sein chauvinistisches Verhalten. Nur weil er seine Liebe bereits hinter sich hat, sollen die Damen mit ihrer Ungewissheit und eventuell nicht erwiderten Liebe leben? Ein nicht gerade romantischer Gedanke, der die Geigen im Hintergrund nicht wert ist.

"Must Love Dogs" ist süss, kurzweilig und vor allem wegen Diane Lane und ihren Dating-Missgeschicken sehenswert. Aber es ist schnell vergessener Hollywood-Durchschnitt, der die Östrogen-reicheren Zuschauer zweifellos mehr ansprechen wird als die Testosteron-Fraktion. Und wer auf viele Hunde hofft, hat auch verloren - denn obwohl die stinkigen Viecher (Anmerkung: ich bin eine cat-person, keine dog-person) im Titel vorkommen, spielen sie im Film eine untergeordnete Rolle. Man hätte ihn auch genausogut "üppige Frau sucht ..." nennen können. Das meine ich nicht sexistisch, sondern in Anlehnung an ein Inserat, das Carol aufgibt.

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Roger Ebert (USA) 2/4
James Berardinelli (USA) 2½/4
Slant Magazine (USA) ½/4
imdb


 

 

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