The Lord of the Rings: The Two Towers (2002)

 

The Two Towers ist der Film des Jahres. Ein episches Schlachtengemälde, das Seinesgleichen sucht. Ein mit der Kinetik eines Güterzugs inszeniertes Mammutwerk. Manche, die The Fellowship of the Ring mochten, werden erschrecken über die Wucht, über die Gewalt, über die schiere Masse an Eindrücken in The Two Towers. Und manche Tolkien-Puristen werden missbilligen, dass Jackson noch viel mehr vom Text abwich. Das soll nicht heissen, dass das Werk nicht gut ist - im Gegenteil: Dies ist Kino nach meinem Geschmack. Episch, fantastisch, gross. Da birst die Leinwand.


Gleich vorweg: Ich habe das Buch vor etwa 5 Jahren gelesen und es sehr gemocht. Es war aber nie eine Bibel für mich. Ich beurteile The Two Towers (den Film) demnach nach cineastischen Kriterien. Was hat Peter Jackson abgeändert? Vieles. Viel mehr als in Fellowship. Für Tolkien-Puristen wohl zu viel. Aber das Resultat auf der Leinwand ist die perfekte Fusion aus Literatur-Adaption und Kino-Ereignis. Und das zählt für mich.

Spoiler Warning: Ich verrate sehr viele Dinge, die im Film vorkommen. Wer also ganz unschuldig in den Film gehen will, sollte nicht weiterlesen.

The Two Towers beginnt mit einer Kamerafahrt über verschneite Gipfel. Man hört Stimmen, Schreie - und dann wandert die Kamera regelrecht in den Berg hinein. Drinnen steht Gandalf. Wir befinden uns in Moria. Der Kampf gegen den Balrog (aus Fellowship) sehen wir diesmal aus einer anderen Perspektive. Was für ein Einstieg. Meine Lieblingsszene aus Fellowship eröffnet diese Fortsetzung - und legt auch gleich das Tempo fest. Diesmal gibt es keinen langen Einstieg. Fellowship hat das ja erledigt und so stürzt sich Peter Jackson gleich in alle Handlungsstränge auf einmal. Zu Beginn scheint The Two Towers deshalb leicht episodenhaft und zerfahren. Jackson tut alles, um mit geschickten Schnitten die Szenen zu verknüpfen, doch es bleibt ein bisschen holprig. Dieses Gefühl dauert nur so lange, bis die einzelnen Plots verwoben sind, der Zuschauer up-to-date ist und Jackson so richtig loslegt. Er setzt eine Dampfwalze in Gang, die bis zum Schluss nicht zum Stillstand kommt. Ich war erschlagen, als ich das Kino verliess. Nur wenige Filme haben eine derartige Kinetik wie The Two Towers. Ich denke etwa an James Camerons Aliens. Und dies trotz den Charakter-aufbauenden Szenen in The Two Towers.

Wenn die einzelnen Erzählstränge (Aragorn/Gimli/Legolas - Frodo/Sam - Pippin/Merry) eingeführt sind, hat jeder einen eigenen Charakter. Die Pippin/Merry-Szenen zum Beispiel sind am Anfang verdammt brutal (auf das komme ich gleich zu sprechen) und werden dann bei den Ents zu einer Art Ruhepol zum Geschehen bei Helm's Deep. Auch dazu später. Diese unterschiedliche Optik, ja das unterschiedliche Tempo der einzelnen Stränge, sorgt für viel Abwechslung. Eines ist allen dreien gemein: Sie sind extrem düster. Frodo und Sam durchwanderen u.a. ein Sumpfgebiet, das mich visuell fast vom Stuhl gehauen hat. Der Nebel, das Feuer, der Gestank - den man förmlich riechen kann. Und dann die Leichen im Wasser. Ich weiss nicht mehr genau, wie die Sümpfe heissen (Swamps of the Dead?) aber meine Güte sind die gruselig. Die Hobbits gelangen an das Black Gate. Wow. Extrem imposant. Es wird von zwei Cave-Trolls geöffnet, und man spürt das Gewicht. CGI und Modelle fliessen perfekt ineinander und geben dem Set Physis. Man merkt, dass dies nicht einfach Pixel sind. Da dröhnt und knarrt es.

Aragorn, Gimli und Legolas suchen derweil nach Merry und Pippin. Die drei machen das Hauptgewicht des Films aus. The Fellowship of the Ring handelte vereinfacht gesagt von den Hobbits, The Two Towers von den Menschen. Ihr erste Mission ist es, Théoden, König von Rohan, von Sarumans Fluch zu befreien, Wormtongue zu verbannen und das Volk zum Krieg zu rüsten. Was mir am meisten imponiert hat bei diesen Szenen sind a) die Stadt auf dem Hügel (sie scheint wirklich da zu sein) und b) die Shakespeare-haften Dialoge. Wenn ich Shakespeare gerne hätte, würde ich sagen, The Two Towers sei Jacksons Henry V. Nicht nur wegen dem vielen Krieg, sondern wegen den heroisch-melancholischen Monologen. Ich weiss nicht, wie diese Sprache bei den Kids von heute ankommt. Bei mir kam sie sehr wohl an. Der Tross zieht dann weiter zur Fluchtburg Helm's Deep. Unterwegs gibt es eine geniale Schlacht gegen Wargs. Die Hyänen-Wolf-Bären-Dinger, die von Orks geritten werden, huschen so schnell durchs Bild, dass man die FX-Probleme nicht erkennen würde. Die Szene wirkt so extrem rasant und derb. Funktioniert blendend. Nur Aragorns "Tod" ist schwach. Es braucht nicht in jedem Film jemand zu sterben, um danach wieder "aufzuerstehen". Es verliert einfach an Reiz - und nur, damit er von Arwen träumen kann ... na ja. Weiter nach Helm's Deep. Hier gibt es 45 Minuten lang Krieg. Die anderen Story-Stränge werden hineingeschnitten, aber das letzte Drittel ist im Kern "Der Krieg um Helm's Deep". Die Festung selbst ist genial in den Fels gebaut. Jackson führt uns in die Geografie der Festung ein, die danach bei der Schlacht selbst entscheidend ist.

Dann trampeln sie herbei. 10 000 Soldaten von Saruman. Ein imposanter Anblick. Die Schlacht selbst ist extrem. Wenn der Wall hochgejagt wird (das sieht man im Trailer) donnert es - doch das wirklich Geniale sind die Felsen, die nach der Explosion vom Himmel rasseln. Auch hier wieder: Gewicht. Da werden Orcs darunter begraben und die Wucht der Explosion wird spürbar. Helm's Deep ist definitiv das grossse Ereignis in The Two Towers. Aber nicht meine Lieblingsszene :) Ach ja, hätte ich fast vergessen: Vor der Schlacht gibt es ein paar starke Momente. Da werden Kinder eingekleidet mit Kriegsrüstungen. Jackson verliert nicht viele Worte, sondern arbeitet mit einfachen Gesten. Kinder an die Front. Gibt es ein eindrücklicheres Zeichen für eine hoffnungslose Lage? Damit man nicht völlig in Tristesse versinkt, gibt es Comic Relief - von Gimli. Wie er hinter der Mauer steht und nur sein Helm hervorschaut, ist köstlich. Es wurde zwar gemogelt (Zwerge sind grösser), aber der Gag, wenn er dann kommt, ist herzerwärmend witzig. Gimli wird vielleicht dreimal zuviel zum Gag-Lieferanten abgewertet, aber es ist nicht tragisch.

Und damit zum letzten Plot: Merry und Pippin. Wie gesagt ist der Anfang sehr brutal. Als die Uruk-hai gegenseitig aufeinander losgehen, fliegt in einer Szene ein Darm durch die Luft. The Two Towers ist als Ganzes viel blutiger, derber, roher als The Fellowship of the Ring. Die Poesie ist (fast) weg, nun herrscht Krieg - ob das einem passt oder nicht. Und dabei fliegen die Köpfe, da wird gestorben, was das Zeugs hält. Wie der Film sein PG-13 in den USA bekommen hat, ist mir ein Rätsel. Ich persönlich finde ja, die Gewalt passt hier zum Thema, aber für Kinder ist das nichts. Jackson kann das egal sein: Man sieht, mit welcher Freude der Splatter-König hinter diese Szenen ging und dabei nie die Trilogie als Ganzes aus den Augen verloren hat.

Pippin und Merry flüchten aus dem Gemetzel in den Wald ... zu den Ents. Die Baumwächter um Treebeard bringen Ruhe in den Film. Treebeard selbst ist ein wunderbarer Charakter. Seine Augen, seine Nase, seine Stimme, alles wunderbar. Im Buch wird ihm zwar viel mehr Platz eingeräumt, aber in der kurzen Zeit, in dem man in The Two Towers bei ihm weilt, nimmt er einen gefangen. Wenn man ihn als Ganzes sieht, wirkt er von allen Charakteren im Film am CGI-mässigsten und wenn er sich bewegt, ist der Bluescreen offensichtlich. Es ist einfach schwierig, Blätter zu animieren und die Farbe grün ist für Animatoren wohl undankbar. Das ist jedoch nicht so schlimm, da der Wald selbst fantastisch aussieht und die Ents sehr schrullige, liebenswerte (fast zu komische) Gesellen sind. Wenn sie letztendlich gegen Isengard marschieren, sind alle Fehler vergessen. Dann kommt es zu meiner Lieblingsszene. "Nature Strikes Back" könnte man sagen. Wie Saruman entgeistert aus dem Turm schaut, während die Bäume seine Soldaten in den Boden trampeln, zaubert ein Lächeln aufs Gesicht. Und eine Träne ins Auge. Da konnte ich nur noch Staunen über die Kraft der Bilder. Und wenn die biblische Flut kommt, wirkt das regelrecht reinigend nach all dem Bösen und Faulen in dem Film. Wunderbare Szene. Wunderbarer Film ... das musste ich wieder mal sagen, sonst vergisst mans ja.

Somit bin ich im Vorbeigehen die Handlung durchgegangen. Ein paar Punkte sind noch offen, bevor ich zu ein paar Details komme. U.a. auch Gollum - ja, ich habe den Kleinen nicht vergessen. Frodo und Sam landen letztendlich in Osgiliath (Gondor), wo es u.a. zur zweiten Begegnung mit den fliegenden Nazgul (die erste war bereits in den Sümpfen!) kommt. Soweit ich mich entsinnen mag, kommen die Nazgul im Buch erst in Return of the King wieder vor. Aber ich könnte mich irren. Die Biester sind imposant, aber ich hatte das Gefühl, an diesem Punkt sei man gesättigt mit Monstern. Vielleicht hätte die grosse Enthüllung der "neuen" Nazgul doch für Buch drei warten können.

Nun also zu Gollum. Ich habe nie in meinem Leben eine bessere CGI-Figur gesehen. Man sieht an ein paar Orten, dass die Kreatur aus dem Computer kommt (v.a. am Wasser), aber vielfach ist man nur von den Socken. Die Details sind wahnsinnig - und vor unseren Augen wird aus einer Ansammlung Pixel eine wichtige Figur. Mir tut jetzt schon das Herz weh, wenn Leute ihn mit Jar-Jar oder Dobby vergleichen. Gollum ist zwar manchmal auch eine Nervensäge - aber auf andere Art. Er ist viel komplexer. Ich meine, wann hat man schon eine künstliche Filmfigur in schizophrenem Zwiegespräch gesehen? Über Minuten streitet Gollum quasi mit sich selbst. Entweder, man akzeptiert das, oder nicht. Wenn nicht, hat man eigentlich in einem Fantasy-Film nichts verloren. Und Gollum wächst einem ans Herz. Anders als Jar-Jar, der immer wie mehr nervt, gewöhnt man sich an Gollum. zittert mit ihm, leidet mit ihm, lacht mit ihm. Es geht uns praktisch wie Frodo, der Gollum als Spiegelbild seiner selbst zu sehen beginnt, und darum zu ihm hält.

Gollum ist das CGI-Highlight. Andere Effekte, die ich liebe: Der Balrog. Immer noch mein Liebling. Die Cave-Trolls. Die Explosion bei Helm's Deep. Der Angriff auf Isengard. Treebeard. Und wow, natürlich die Oliphaunts (Mûmakil). Die sind fantastisch. Man fragt sich, was sie in der Szene suchen (sie wirkt etwas "show-off"-mässig), aber Mensch, sind die geil. Generell kann man auch sagen, dass die Hintergründe brillant sind. Aus Neuseeland wird so wie schon bei Fellowship Mittelerde. Der Unterschied zu Attack of the Clones ist, dass ein Grossteil der Landschaft eben real ist und nur die speziellen Gebäude und Landschaftselemente Modelle bzw. CGI. Das gibt den Bildern die Tiefe, die sie brauchen. So bringt uns Jackson spielend nach Mittelerde. Wenn man The Two Towers wegen all dem Krieg und Säbelrasseln nicht mag, muss man dem Film immerhin zugestehen, ein guter Reiseführer durch Mittelerde zu sein ...

Die Musik: Einfach nur schön. Der Schnitt: Am Anfang gewöhnungsbedürftig, doch zum Schluss höchst effizient. Die Schauspieler ... und da brauch ich wohl ein eigenes Kapitel.

Sean Astin ist mehr gefordert und macht seine Arbeit gut. Elijah Wood kommt fast nicht mehr vor, aber auch er ist gut. Die beiden anderen Hobbits haben weniger Jokes als in Fellowship. Das ist gar nicht so schlecht. John Rhys-Davies ist super. Er hat mehr Humor diesmal. The Two Towers darf nicht zu ironsch, geschweige denn selbstironisch werden, aber ein bisschen Humor ist gut. Orlando Bloom fand ich in Fellowship besser. Aber er ist auch hier gut. Viggo Mortensen ist ein Highlight. Dies ist beinahe sein Film. Dafür musste Ian McKellen abgeben. Er wirkt gezwungenermassen steifer. Er hat zwei, drei humorvolle Momente, doch damit hat es sich. Christopher Lee: Böse wie immer. Liv Tyler: Kommt kaum vor. Sie hat etwas zugenommen. Cate Blanchett: Hat einen Cameo-Auftritt von ein paar Sekunden.

Bernard Hill ist top. Manchmal hat man das Gefühl, er spiele wieder den Captain der Titanic und führe sein Schiff "Rohan" in den Untergang. Er ist es, der die Shakespeare-Vergleiche bei mir ausgelöst hat. Brad Dourif: Ein 1-A-Schleimer. Als er mit Saruman auf dem Balkon steht, und eine Träne vergiesst, ging mir ein Schaudern über den Rücken. Diese Träne als Zeichen der Begeisterung für das Riefenstahl'sche Szenarion bei Isengard ist ein einfaches, aber umso effizienteres Mittel, um zu zeigen, wie verdorben Wormtongue ist. Für den Tod eines Menschen hat er keine Emotion übrig - aber beim Anblick einer Kriegsmaschinerie weint er. Genial. Miranda Otto: Ich finde sehr gut, wie ihre Beziehung zu Aragorn aufgebaut wird. Sie ist fasziniert von ihm, merkt aber, dass er an Arwen vergeben ist. Es ist keine Dreiecksbeziehung (dafür gibt Jackson ihr zu wenig Raum), aber ein paar Blicke von Eowyn wirken Wunder. Sehr delikat. Die Tolkien-Puristen werden wohl v.a. an diesen Szenen etwas zu nörgeln finden, aber was solls. Und wenn wir gerade bei Änderungen sind: Der Film hört nicht da auf, wo das Buch aufhört. Nachdem Faramir Frodo und Sam (nach einer bewegenden Rede von Sam) gehen lässt, lassen die Hobbits sich von Gollum einen neuen Weg nach Mordor zeigen. Gollum ist hin- und hergerissen und wirft seine wacklige Freundschaft zu Frodo über Bord. Er sagt sich, jemand anderes solle die Hobbits töten. Sie solle sie töten. Kamera schwenkt nach oben. Ende ... "Sie" kommt also erst im dritten Film.

Jetzt geht mir bald die Luft aus. Was muss noch gesagt sein? Dass The Two Towers das Kino-Ereignis 2002 ist. Und dass viele ihn nicht mögen könnten. Ein Kollege sagte, Frauen werden mit dem Film nichts anfangen können. Das ist vielleicht ein wenig sexistisch, aber ich gehe in die selbe Richtung: Dieser Film ist für die Geeks (und da gibt es ja auch Frauen) und Filmfans, und weniger für Kritiker oder Tolkien-Anbeter. Jackson beliess zwar die Essenz des Buches intakt, holzte aber ansonsten ziemlich im Bücherwald. Sogar der Titel (die zwei Türme sind Orthank und Barad-Dur *) wurde neu interpretiert. Somit ist The Two Towers vor allem eines: ein episches Schlachtenepos mit ungemeiner Wucht, fantastischen Bilder, Mut ebenso zur Dreckigkeit (Bild) wie zur Poesie (Monologe). Es ist sicher kein leichter Film. Er ist vielmehr das böse Stiefkind, das aus Fellowship of the Ring entwachsen ist. Der eine kann nicht sein ohne den anderen. Und genau das ist ja das Geniale in der Trilogie. Der erste ist nicht nur Einleitung. Er führt zwar die Charakteren ein, hat aber auch einen anderen Sinn: Der des Gegenpols - des Gegenpols zu The Two Towers. Bereitet euch vor, erschlagen zu werden. The Two Towers. Danke Peter Jackson für diese Tortur.

 

* Welche Türme Tolkien meinte, ist nicht ganz klar. Die gängige Interpretation ist, dass er Orthanc und Minas Morgul meinte (Infos zu den Türmen gibts hier).
** Ich habe nachdem ich etwa 50 Kritiken gelesen habe, eine kleine Vorwurf+Entkräftung-Seite gemacht. Hier.



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