Spider-Man 2 (2004)

Quick-Links: Cast & Crew - Review

US-Start: 30.6.2004
CH-Start: 08.7.2004

 

Regie: Sam Raimi
Buch: Alvin Sargent nach einer Story von Michael Chabon, Alfred Gough, Miles Miller
Produktion: Roland Emmerich, Mark Gordon
Kamera: Bill Pope
Musik: Danny Elfman
Cast: Tobey Maguire, Kirsten Dunst, Alfred Molina, James Franco, Rosemary Harris, J. K. Simmons, Donna Murphy, Dylan Baker, Bill Nunn, Daniel Gillies, Bruce Campbell, Ted Raimi, Cliff Robertson, Willem Dafoe, Hal Sparks, Stan Lee
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Kritiken:
Roger Ebert (USA) 4/4
The best superhero movie ever
James Berardinelli (USA) 3/4 Has all the elements of a good, but not great, superhero motion picture
Harry Knowles (USA) This film has the kinetics and humor of Raimi’s "Evil Dead 2" married with the heartache and feeling of "A Simple Plan" [...] It leaves the limitations of comics behind – giving weight, sound, movement, soul and life to something only dreamt about for a lifetime
(c) Columbia Pictures

 

Review:

28.6.04

"Go get them, tiger" ist der letzte Satz, der im Film gesprochen wird. Es war anscheinend auch das Leitmotto hinter der ganzen Produktion. Mit dem Sequel zum Kassenschlager Spider-Man legten nahezu alle Beteiligten einen Zacken zu. Vor allem Regisseur Sam Raimi. "Spider-Man 2" ist die beste Comicverfilmung, die ich je gesehen habe. Aber das liegt auch daran, dass das ganze Genre in den letzten Jahren massiv zugelegt hat. Seit "Superman" und "Batman" die Kinos füllten, ist eine lange Zeit verstrichen und mit Filmen wie "Batman & Robin" haben sich die Comicfilmer verrannt. Doch es sind Comic-Streifen wie Spider-Man, X-Men, X-Men 2 und Hulk sowie Zeichentrick-inspiriterte Filme wie die "Matrix"-Trilogie, die die Kunst der Comicverfilmung voranbrachten und perfektionierten. Jeder von diesen Werken in einem anderen Bereich. Und es scheint, als sei "Spider-Man 2" nun die Krone dieser Entwicklung. Ein grandioser Film und ein Fest für Comic-Fans und Movie-Geeks.

Die Handlung knüpft direkt an den Vorgänger an. Peter Parker (Tobey Maguire) hat seine Pflicht vor seine Liebe gestellt. Er verdient Kleingeld als Pizzaboy und rettet zwischendurch Menschen aus allen Notlagen - im Kostüm von Spider-Man. Doch dieses Leben stresst ihn. In der Schule sinken seine Noten, sein Familienleben leidet und von Liebe keine Spur. Obwohl er sich immer noch nach Mary Jane (Kirsten Dunst) verzerrt. Es gibt noch andere Probleme: sein Freund Harry Osborn (James Franco) trachtet Spider-Man nach dem Leben, da dieser seinen Vater Norman (Willem Dafoe), den "Green Goblin" umgebracht hat. Doch Harry ahnt nicht, dass Peter Spider-Man ist. So verkuppelt er ihn auch mit dem brillanten Wissenschafter Dr. Otto Octavius (Alfred Molina), der Peter seine neusten Studien erklärt, die von OsCorp finanziert werden: ein Fusionsreaktor, der unlimitiert Energie liefern soll. Bei der Präsentation montiert Octavius vier intelligente Metall-Arme direkt an seiner Wirbelsäule, die ihm assistieren sollen. Doch das Fusionsexperiment misslingt. Der Kern explodiert, Octavius' Frau (Donna Murphy) wird getötet und die künstlichen Arme übernehmen die Macht über den Wissenschafter. Er ist fortan besessen davon, sein Experiment abzuschliessen und terrorisiert dazu die Stadt. Zeitungschef J. Jonah Jameson (J. K. Simmons) nennt ihn "Doc Ock". Und Spider-Man soll ihn ausschalten. Doch Peter zweifelt an seiner Berufung. Er will normal sein, er will lieben. Es scheint bereits zu spät: Mary Jane hat sich mit Jamesons Sohn, dem Astronauten John (Daniel Gillies) verlobt!

Diese Geschichte kommt gleich nach den Credits in Schwung, doch bereits die sind erwähnenswert: sie bestehen aus Bildern von Comic-Legende Alex Ross und fassen den ersten Teil nicht nur kurz zusammen, sie geben auch genau das richtige Feeling. Dazu die Musik vom Danny Elfman. Ich habe beim ersten Spider-Man beklagt, es gäbe kein richtiges Titelthema. Dies ist nicht der Fall: sein Score blieb bei mir hängen, ich hab das Stück x-mal gehört und als es nun aus den Boxen donnerte, kannte ich es. Liebte ich es. Schon nach der ersten Minute war ich voll drin. Die erste Hälfte des Films ist die Handlungs-reichere. Doch sie ist nicht langweilig. Das liegt an Sam Raimi. Das Studio hat diesmal alles Vertrauen in den Regisseur und er lässt sich voll gehen. Jeder Shot ist genial, jede Kamerabewegung einstudiert. Hie und da blitzt der Horrorfilmer durch (Dr. Ocks Aufwachen auf dem Operationstisch ist Horror pur - und schlicht brillant). Dann wieder erinnert der Stil an "Evil Dead" - inklusive Kettensäge und tiefer gelegte Kamera, die auf schreiende Frauen zurast. Der Film birst vor Energie. Nicht nur das, der Humor ist perfekt. Ja, ich sagte perfekt. Das Timing der Pointen ist absolut brillant. Es gibt Szenen, bei denen kniet man nieder - und all dies ohne die Kraft der Story zu unterlaufen. Im Gegenteil: der Humor verstärkt die Story, verstärkt den Comic-Charakter des Films, verstärkt das jazzige Feeling.

Am besten diesbezüglich ist J. K. Simmons. Er war schon im ersten Teil cool, doch diesmal hat er mehr zu tun. Er wirkt wie eine real gewordene Zeichentrickfigur und jeder seiner hastig gesprochenen Sätze ist irrwitzig genial. Tobey Maguire ist nicht viel dahinter. Er hat ein paar süffige One-Liner. Und dann gibts viele Humor-Zückerchen. Etwa eine Szene mit Bruce Campbell als Türsteher. Göttlich. Oder eine Sequenz, in der eine Geigerin das "Spider-Man"-Lied der Serie spielt. Selbstironie in bester Form. Und die wundervolle Passage, in der Parker seine Kräfte zu verlieren droht und mit dem Fahrstuhl nach unten fährt. Ein Passagier steigt zu und Parker (in voller Montur) versucht Smalltalk zu machen. "It itches in the crotch" sagt er etwas geniert - und die Lacher sind da. Doch der Scherz geht tiefer: der Gast ist Hal Sparks, Hauptdarsteller der US-Schwulensoap "Queer as Folk". Und wer das weiss, lacht noch mehr: ein Gay-Star mit einem Kerl im Lift, der im hautengen Anzug steckt. Wunderbar.

Solche Leckerchen tauchen die ganze Zeit auf, übernehmen aber nie die Oberhand. Vielmehr ist am Anfang Peters Dilemma das dominierende Thema. Lang und breit wird erklärt, wieso er nicht lieben kann, wieso er sich schuldig am Tod seines Onkels fühlt, etc. etc. Dabei handelt es sich nicht um allzu tiefgründiges Material. Es ist vielmehr Pop-Psychologie. Aber wir befinden uns in einer Comic-Welt, einer Welt der überhöhten Realität, der abstrahierten Gefühle. Die Emotionen sind echt, aber auf Comic-Ebene transportiert. Und so stört es auch nicht allzusehr, als Tante May eine lange Rede über Helden hält und wie wir Helden brauchen. Oder dass das Leitthema "With great power comes great responsibility" wieder aufgebrüht wird. Diese Dialoge sind manchmal etwas gekünstelt und mühsam, doch man schluckt sie, weil sie im Kontext funktionieren. Besser fand ich die Monologe. Etliche Male stehen Schauspieler alleine da (oder im Falle von Ock mit den Tentakeln) und reden mit sich. Das ist in einem "normalen" Film meist unangebracht, aber hier erahnt man die Sprechblasen. Innere Monologe werden veräusserlicht und zum Publikum vorgetragen. Es gibt den Charakteren ein epischeres Feeling.

Zu den besten Charakteren gehört natürlich Peter. Man leidet diesmal noch mehr mit ihm mit und Tobey spielt einfach toll. Nicht nur in der Action. Auch in den dramatischen Passagen oder an leichteren Stellen. Ganz unspektakulär toll fand ich etwa die Montage zu "Raindrops keep falling on my head", in der Peter wieder "ganz normal" sein will. Noch besser ist Alfred Molina. Ich liebe diesen Bösewicht, der eigentlich keiner ist aber doch wie einer agiert. Er ist Spider-Man in Intelligenz und Kraft überlegen und Molina spielt zwischen Extravaganz und Understatement die ganze Bandbreite aus. Zudem muss er keine Maske tragen wie Willem Dafoe und kann so blendend Schauspielern. Simmons habe ich schon erwähnt (nochmals: genial), die kleinen Gastauftritte sind wunderbar. Besonders jener von Bruce Campbell. Aber auch der von Willem Dafoe, der immerhin den Satz "I am your father" sagen darf. Da wird es jedem "Empire Strikes Back"-Fanatiker wie mir natürlich warm ums Herz. Dann ist da Rosemary Harris als Tante May. Na ja. Sie passt mir nicht richtig, aber es gibt Passagen, in denen ist sie gut. Ich darf sie einfach nicht zu lange hören. James Franco ist gut, aber bisweilen etwas limitiert. Er sieht definitiv richtig aus für den Part. Daniel Gillies bleibt blass, aber das muss so sein, denn schliesslich ist Peter der richtige Lover von Mary Jane. Damit bin ich bei ihr. Mary Jane, Kirsten Dunst. Die Fehlbesetzung. Sorry, ich mag Kirsten Dunst und im ersten Spider-Man fand ich sie okay, doch diesmal vergeift sie sich im Spiel immer wieder. In den emotionalsten Szenen hat sie ihre Augen "vielsagend" leicht geschlossen und sieht dabei aus, als ob sie zuviel gekifft hätte. Ich habe mich bei vielen ihrer Auftritte regelrecht genervt. Erst gegen Schluss war sie besser. Aber sorry, Mädel, den Part schaffst du nicht mit Hundeblick!

Zum Glück gibts zwischen all diesen Charakteren noch Action. Die durch-die-Stadt-Schwing-Szenen sind geil wie immer, auch wenn Spidey oft digital ist. Man sieht es, keine Frage. Die Effekte sind auch nie perfekt. Doch sie sind solide. Und sie funktionieren, weil Raimi das Tempo aufrecht hält und die Szene abseits von Bits und Bytes interessant macht. Zum Beispiel die Unfall-Szene von Dr. Octavius am Anfang oder das tolle Finale. Highlight ist jedoch der Fight von Ock und Spidey auf der Stadtbahn. Action in Bestform, Tempo in Reinkultur. Das Finale der Sequenz ist mit den "schützenden Bürgern" etwa ähnlich doof wie die New Yorker, die im ersten Teil den "Green Goblin" mit Gegenständen bewerfen, aber wiederum: es passt in eine Comic-Welt. Und Raimi spielt auch damit. Immer wieder Raimi. Ich kann nicht genug betonen, wie richtig er alles macht. Er orchestriert mit geschickter Hand, bekommt den Look, das Erzähltempo und die Mischung zwischen Tiefgang und Entertainment bestens hin. Er hat auch den Mut, drei Enden zu präsentieren (wie langsam üblich für Blockbuster). Das "erste" Ende ist jenes für das Heldenepos. Das Ende mit dem Knall. Das zweite ist das Sequel-Ende, das den dritten Teil vorbereitet. Das dritte ist das Peter-Parker-Ende. Das richtige Ende. Der Film endet mit dem Dilemma und mit Schwingen. Und mit einem besorgten Blick von Kirsten Dunst. Der perfekte Abgang. Man kann von einem zu langen Epilog sprechen, aber ich mag das eigentlich: Das Absenken der Emotionen nach dem Höhepunkt, das Ausklingen und wieder annähern an die Charaktere. Raimi macht das super. Ich kann mir gar keinen anderen Mann mehr für den Job vorstellen. Die Story, immerhin co-verfasst von Pulitzer-Preisträger Michael Chabon, ist nicht ganz neu und kopiert in gewissem Sinne Elemente von "Superman 2", doch Raimi präsentiert alles mit einer solchen Frische, einer solchen Energie, das man sich anstecken lässt. Es soll ja Leute geben, die da noch Anschlussfehler suchen, über Dialoge nörgeln oder Spezialeffekte kritisieren. Ich? Ich liebe diese Art von Filmen. Für die gehe ich schliesslich ins Kino. Mr. Raimi, ich verneige mich ... "Go get them, tiger".


page created: 28.6.04  ~  last updated 28.6.04

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© text molodezhnaja / photo 20th Century Fox

 

 

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