Mystic River (2003)

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US-Start: 08.10.2003
CH-Start: 23.10.2003


Regie: Clint Eastwood
Buch: Brian Helgeland nach dem Roman von Dennis Lehane
Produktion: Clint Eastwood, Judie Hoyt, Robert Lorenz
Kamera: Tom Stern
Musik: Clint Eastwood, Kyle Eastwood
Cast: Sean Penn, Tim Robbins, Kevin Bacon, Marcia Gay Harden, Laurence Fishburne, Laura Linney, Kevin Chapman, Rom Guiry, Emmy Rossum, Spencer Treat Clark, Robert Wahlberg, Eli Wallach
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Kritiken:
Roger Ebert (USA) 4/4 "
a dark, ominous brooding about a crime in the present that is emotionally linked to a crime"
James Berardinelli (USA) 3½/4 "
haunting and melancholy, and the portraits it paints [...] will stay with you after you have left the theater"
(c) Warner Bros.

 

Review:

17.6.04

"Mystic River" ist einer der wenigen und einer der wichtigsten Filme, die ich 2003 im Kino verpasst habe. Die Kritik des zweifach "Oscar"-gekrönten Thrillerdramas reiche ich nun halt etwas verspäter nach - und da ihn ja nun beinahe alle schon gesehen haben, diskutiere ich weiter unten auch ein paar Spoiler. Doch zuerst das Zentrale: Clint Eastwood gelang mit seiner 24. Regiearbeit ein reifer, hypnotischer und höchst bewegender Film. Dass das Thriller-Element nicht im Zentrum steht, sah ich allein schon daran, dass ich etliche Male in Tränen ausbrach. 120 Minuten von "Mystic River" sind denn auch ein Highlight des Kinojahres, ein perfekt gespieltes Meisterwerk, das zum Nachdenken und Mitfühlen einlädt. Trotz so manchen Logiklöchern, trotz etwas Anmassung und trotz einem verhunzten Ende. Gerade der Umstand, dass die letzten 10 Minuten so misslungen sind und der Film als Ganzes so gut bleibt, zeigt, dass Eastwood einen Grossteil des Films in mehr als kompetenten Bahnen laufen lässt.

Die Ereignisse beginnen in der Vergangenheit, als drei befreundete Buben von zwei vermeintlichen Cops angesprochen werden. Einer der dreien, Dave, fährt mit den "Bullen" weg und wird von ihnen tagelang missbraucht, bevor er flüchten kann. Viele Jahre später haben sich die drei aus den Augen verloren, leben aber alle im selben Arbeiterstadtteil von Boston. Ex-Gangster Jimmy (Sean Penn) zieht mit seiner zweiten Frau Annabeth (Laura Linney) drei Töchter gross, der seit der Misshandlung psychisch etwas angeschlagene Dave (Tim Robbins) ist mit Celeste (Marcia Gay Harden) verheiratet und Sean (Kevin Bacon) arbeitet als Inspektor. Er und sein Partner (Laurence Fishburne) sind gefordert, als eine Leiche gefunden wird. Es ist jene von Katie (Emmy Rossum) - Jimmys 19-jähriger Tochter. Für Jimmy bricht eine Welt zusammen. Er will den Täter in die Finger kriegen. Eine Spur führt dummerweise zu Dave ...

Soweit der Thriller-Aspekt. War es Dave? War ers nicht? Eine der zentralen Fragen, die eine geniale Auflösung findet. Doch selbst die funktioniert längst auf dem emotionalen Gebiet, perfekt orchestriert von Clint Eastwood. Ich habe gesagt, "Mystic River" sei ein reifer Film und das wird fast in jeder Szene klar. Die Musik, der Schnitt und die Kameraführung ergeben einen ruhigen, aber Sog-artigen Rhythmus. Eastwood, selbst Schauspieler, ist zudem ein idealer "actor's director" und lässt seinen Leuten allen Raum, den sie für geniale Darbietungen brauchen. Alleine auf diesem teschnischen Gebiet ist "Mystic River" überragend. Penn ist streckenweise etwas am chargieren, aber er trägt die Schwere der Situation und des Films auf den Schultern. Robbins macht aus der etwas zu wenig entwickelten Rolle mehr als das Beste. Und Kevin Bacon ist mein heimlicher Liebling in der vielleicht stillsten Rolle der dreien. Von den Frauen überzeugte mich Marcia Gay Harden komplett.

Damit bleibt die Handlung übrig. Wie gesagt: 120 Minuten sind fast perfekt. Es schleichen sich jedoch kleine Logiklöcher ein, die dann auch das Ende sabotieren. Um darauf einzugehen, brauche ich Spoiler. Alle, die den Film noch nicht gesehen haben, sollten ihn unbedingt angucken - und erst danach weiterlesen. Also. Spoiler: Einige Fragen habe ich mir am Schluss doch gestellt. Eine banale etwa: wieso hat Dave Jimmy nicht einfach die Leiche des Pädophilen gezeigt, um seine Unschuld zu bezeugen? Klar ist er geistig etwas verwirrt, aber wenns um die Wurst geht (siehe Verhörzimmer) kann er klar denken. Der eigentliche Tathergang hat mich denn auch nicht wirklich überzeugt. Aber es passt halbwegs: der Mord ist eigentlich lapidar, beinahe ein Unfall. Ist er auch glaubwürdig? Nicht ganz. Diesen Kids traue ich diese Tat nicht zu und es gibt auch nicht genug Hinweise, dass man es tun sollte. Aber auch das akzeptiere ich, wenns sein muss.

Ich akzeptiere auch die bedeutungsschwangeren Dialoge à la "I feel like a vampire" oder "I guess we're all just 11 year old boys trapped in a cage". Das funktioniert ev. in einem Roman, aber in einem Film wirkt es zu theatralisch, zu abgehoben. Vor allem für scheinbare Working-Class-Guys. In eine ähnliche Richtung geht der Anfang vom Ende. Sagen wir mal so: Eastwood hätte da aufhören sollen, als Penn und Bacon auf der Strasse stehen und den kleinen Dave davonfahren sehen. Das wäre ein fantastischer Schluss. Aber nein, danach kommt eine der übelsten und unnötigsten Szenen überhaupt. Laura Linney erklärt in bester Lady-MacBeth-Manier, wieso Penns Tat okay war und wieso er stark sein muss. Dass sie sich dabei auch noch im Bett wälzen, fühlt sich so falsch an. Zudem macht es den zweiten Frauen-Charakter zum Bösewicht. Zuvor ist bereits Marcia Gay Harden zur ungewollten Täterin geworden, als sie Penn sagt, sie halte ihren Gatten für Katies Mörder. Damit sind beide Frauenrollen im unehrenhaften Bereich. Als Frau hat mans nicht leicht in einem Eastwood-Film.

Neben der schwachen Penn-Linney-Szene gibts eine unnötige Versöhnung zwischen Bacon und seiner Frau, doch das ist noch halbwegs tragbar. Ganz zum Schluss dann ein Umzug, der nicht funktioniert. Wieso diese Szenen drin blieben, ist mir ein Rätsel. In einem ansonsten so perfekt montierten Film haben diese Ausrutscher nichts zu suchen. Aber dennoch bleibt es ein 4-Sterne-Film. Ein bewegendes Drama über Schuld, Sühne, Rache und Schicksal. Selbst eine Reflektion über Selbstustiz steckt drin - besonders interessant in einem Werk des "Dirty Harry". Grosse Themen also, die hie und da prätenziös wirken, aber dank Eastwoods Regie nie zum Schmalz verkommen. Ein wunderbarer Film, gar keine Frage.



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17.6.04  ~  last updated 17.6.04

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© text molodezhnaja / picture Warner Bros.

 

 

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