Master and Commander: The Far Side of the World (2003)

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US-Start: 14.11.2003
CH-Start: 27.11.2003



Regie: Peter Weir

Buch: Peter Weir und John Collee nach dem Roman von Patrick O'Brian
Produktion: Peter Weir, Samuel Goldwyn, Jr., Duncan Henderson
Kamera: Russell Boyd
Musik: Iva Davies, Christopher Gordon, Richard Tognetti
Cast: Russell Corwe, Paul Bettany, James D'Arcy, Edward Woodall, Chris Larkin, Billy Boyd, Max Pirkis, Jack Dandall, Max Benitz, Lee Igleby, Richard Pates. Robert Pugh, Richard McCabe, David Therfall
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Kritiken:
Roger Ebert (USA) 4/4 ... grand and glorious. [...] Like the work of David Lean, it achieves the epic without losing sight of the human.
James Berardinelli (USA) 3/4 ... may be the best-looking film ever made about a seafaring vessel.
(c) 20th Century Fox, Miramax & Universal

 

Review:

10.11.03

"Master and Commander" ist ein überragender Film. Technisch, schauspielerisch und erzählerisch sauber gemacht, inhaltlich überaus zufriedenstellend. Der australische Regisseur Peter Weir ("The Truman Show") weiss, wie er Action und Charakterisierung ausballancieren muss. Er verarbeitet einen Teil von Patrick O'Briens 20-bändiger Romanreihe, die die New York Times "die besten historischen Romane, die jemals geschrieben wurden" nannte, zu einem spektakulären Abenteuerdrama auf hoher See. Die Geschichte beginnt 1805 im südlichen Atlantik. Die britische HMS Surprise, ein 28-Kanonen-Kriegsschiff mit 197 Mann Besatzung bekommt den Auftrag, die Franzosen davon abzuhalten, den Krieg in den Pazifik zu tragen. Im Klartext heisst das: Captain "Lucky" Jack Aubrey (Russell Crowe) und seine Mannen müssen die mit 44 Kanonen bewaffnete, weitaus überlegene napoleonische Fregatte "Acheron" abfangen.

In der Region von Kap Horn stellt sich die Frage, ob die "Surprise" der Sache gewachsen ist. Aubreys Freund, der gebildete Schiffsarzt und Naturforscher Stephen Maturin (Paul Bettany) bezweifelt Aubreys Urteilsfähigkeit. Und hier spielt plötzlich ein anderer bekannter Seefahrer-Roman hinein: "Moby Dick". Aubrey ist in der Mitte des Films davon besessen, das gegnerische Schiff, das meist nur als bedrohliche Silouette zu sehen ist, zu kriegen - koste es was es wolle. Weir ist aber clever genug, "Master and Commander" nicht bloss zum "Moby Dick"-Abklatsch verkommen zu lassen. Vielmehr ist diese Gemeinsamkeit nur eine von vielen Facetten des Abenteuerdramas.

Was dem Film am eindrücklichsten gelingt, ist das Zeigen des Lebens an Bord. Bis ins kleinste Detail historisch korrekt wurde das Schiff gebaut (als seetüchtiges Schiff und als Replika im "Titanic"-Tank in Mexiko) und diese Liebe für die Detaultreue setzt sich in den Charaktere fort. Es sind unter anderem Kinder an Bord, was historisch verbürgt ist. Zum einen arbeiteten die oft nur 10-jährigen Buben als "Powder Monkeys", die die Kanonen mit Munition versorgen. Zum anderen schicken reiche Briten ihre Söhne auf solche Schiffe, wo sie eine Ausbildung als "Midshipman" beginnen. Diese Kids stürzen sich genauso in den Kampf wie die Erwachsenen. Und Kinder so zu sehen, bringt "Master and Commander" nicht nur eine zusätzliche Ebene von Authentizität, sondern auch von bewegenden Emotionen. Wenn einem Kind etwa der Arm amputiert werden muss, oder ein junger Matrose über Bord gespült wird. Weir weiss, wie er die Emotionen zwar durchaus forciert, aber nicht kitschig hinüber bringt. Dabei hilft ihm eben die historische Genauigkeit der Ereignisse sowie die Nüchternheit. Seine "Helden auf See" sind keine Übermenschen. Sie folgen manchmal allzu blind ihrem Captain und sind zu heroischen Taten durchaus bereit - aber mehr aus Eigennutz als aus Patriotismus. Die Männer wollen einfach ihr Schiff retten, ihre Heimat.

Und die wird personifiziert vom Captain. Russell Crowe ist geradezu geboren für diese Rolle. Er braucht Authorität und Charisma, um seine Männer zu führen. Im Film wird das mehrfach angeschnitten. Als er etwa einen ungehorsamen Matrosen auspeitschen lässt, hält er einen Vortrag über Regeln an Bord. Diese mögen hart und archaisch erscheinen (sind sie), doch anders würde das Schiff nicht funktionieren. Das sieht auch Maturin ein. Hiermit stösst Weir zum eigentlichen Kern von "Master and Commander" vor - dem Konflikt und der Freundschaft von Aubrey und Schiffsarzt Maturin. Der eine der toughe Anführer, der andere der Denker und Gefühlsmensch. Tradition gegen Moderne. Krieg gegen Wissenschaft. Beide sind auf ihre Weise sehr stark (der Doktor operiert sich etwa einmal selbst, wobei der Captain fast in Ohnmacht fällt) und beide liefern glaubwürdige Argumente pro und contra von Aubreys Art, das Schiff zu führen. Maturin ist fasziniert von seinem Freund, weil er eine Ausnahme von der Regel ist, dass Macht korrumpiert. Und als Aubrey eben dann um Kap Horn doch korrumpiert scheint, bricht auch der höchst interessante Konflikt zwischen den beiden Männern aus. Soviel psychologischen Tiefgang findet man nicht in jedem Abenteuerfilm.

Crowe und sein "A Beautiful Mind"-Partner Bettany sind in diese Szenen vorzüglich. Auch die Nebendarsteller sind 1A. Die Jung-Darsteller, etwa der Midshipman Lord Blakeney (Max Benitz) oder "Lord of the Rings"-Hobbit Billy Boyd sorgen dafür, dass "Master and Commander" keine staubtrockene Angelegenheit wird. Weir lässt sich zwar viel Zeit, lässt das Wasser und das Schiff zu eigenen Charakteren werden und weitet seinen Film zum Epos aus, doch er findet immer wieder kleine Dinge, die die Atmosphäre auflockern. Ein paar Gags vom grummligen Küchendiener Killick, Geigenmusik von Aubrey und Maturin, erschreckende Operaitionen auf See, Konflikte unter der Mannschaft und einen sehr beklemmenden Exkurs über die Macht von Aberglaube. Weirs kleine Welt auf diesem Schiff nimmt komplexe Formen an, je weiter es in den Pazifik vorstösst. Es ist schon erstaunlich, wie er über zwei Stunden nur an Bord des Schiffes filmen kann. Mit Ausnahme einer (surreal anmutenden) Exkursion auf die Galapagos-Inseln gibt es kein Festland in "Master and Commander". Es ist ein wirklich reinrassiger Seefahrerfilm - und vielleicht einer der besten des Genres.

Für Action ist in den Gefechten gesorgt, für Exotik auf Galapagos und beim kurzen Anlegen in Brasilien (da gibts auch ganz kurz die einzigen Frauen zu sehen). Die Schauspieler sind spitze, die Ausstattung bis ins Detail perfekt - und mit den sehr aufwändigen Effekten blendend vereint. Es hat über 750 Effekt-Shots in dem Film und man sieht fast keinen davon. Sozusagen das grösste Kompliment für die Leute von ILM (George Lucas) und Weta (Peter Jackson), die die FX kreiert haben. Im weiteren ist die Musik wie für Weir typisch wieder sehr speziell, manchmal Geige, dann Synthesizer, dann Orcherster. Ein wilder Mix, so abwechslungsreich wie die See. Die kernigen Dialoge machen Spass, die Charaktere mag man. Doch im Zentrum stehen Aubrey und Maturin. Quasi Captain Kirk, der toughe Führer vs. ein Mix aus Wissenschafter Spock und emotionalem Arzt Pille. Dazu eine Portion "Moby Dick", eine Prise Charles Darwin und ein Schuss Karl Marx. Fertig ist einer der packendsten Abenteuerfilme der letzten Jahre. Er ist kein leichter Stoff und Weir setzt ihn auch nicht einfach um, sondern lässt sich Zeit, geht wenig Kompromisse ein und ist historisch nicht revisionistisch, weshalb einige Leute den Film als "trocken", "altbacken" oder gar "langweilig" betiteln werden. Für mich ist er grosses Kino aus grossartigen Bestandteilen. Wahrlich ein Seefahrerfilm, wie man sich ihn nur wünschen kann! Ein "Oscar"-Kandidat!



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© Bilder Fox / Miramax / Universal

 

 

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