The Aviator (2004)

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US-Start: 17.12.2004
CH-Start: 20.01.2005

 

Regie: Martin Scorsese
Buch: John Logan
Produktion: Michael Mann, Leonardo DiCaprio, Charles Evans, Jr., Graham King
Musik: Howard Shore
Kamera: Robert Richardson
Mit: Leonardo Di Caprio, Cate Blanchett, Kate Beckinsale, John C. Riley, Alec Baldwin, Alan Alda, Ian Holm, Danny Huston, Jude Law, Gwen Stefani, Willem Dafoe, Brent Spiner, Adam Scott, Matt Ross
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Kritiken:
James Berardinelli (USA) 3/4
good, but not great
Roger Ebert (USA) 4/4 hugely enjoyable biopic
(c) Miramax / Warner Bros.

 

Review:

22.12.04

In meiner vorpupertären Zeit war ich ein Flugzeug-Fanatiker, kannte jede Flügel-Spannweite und jeden Typ aus Entfernung. Der Name Howard Hughes (1905-1976) hat mir deshalb schon damals etwas gesagt. Jahre später löste die Leidenschaft Film die Aviatik ab und der Name Hughes tauchte erneut auf. Ich kannte diesen Mann, wusste von seinen Erfolgen und seinen Tiefschlägen. Doch Martin Scorseses "The Aviator" hat mir doch einen ganz neuen Hughes vorgeführt. Das Drehbuch von John Logan ("Gladiator") hält sich ziemlich nahe an die Fakten und schreckt vor ungemütlichen Stationen in Hughes Leben nicht zurück. Es gibt viel zu entdecken, von manchem hat man sicher gehört, anderes ist neu. Und alle dürften sich einige sein: Howard Hughes ist einer der faszinierendsten Menschen des 20. Jahrhunderts. Und Marty wird ihm voll gerecht.

"The Aviator" beginnt mit einem kurzen Prolog, der den jungen Howard nackt in einer Wanne zeigt. Seine Mutter kommt und wäscht ihn. Während er "Quarantäne" buchstabieren muss, erklärt sie ihm, dass er immer sauber sein muss, sonst würden ihn Viren und Bakterien befallen. Die Szene ist wichtig, nicht als Schuldzuweisung, sondern als Erklärung - denn Howards spätere Zwangsneurose nimmt einen wichtigen Teil des Films ein. Danach springt der Film nach 1927. Der erst 22-jährige Howard Hughes (Leonardo DiCaprio) produziert sein Erst-Weltkriegs-Epos "Hell's Angels". Das Geld für den Film hat er geerbt: Seine Eltern haben die Ölbohr-Maschinen-Firma "Hughes Tools" in Houston aufgebaut und ihm das Imperium nach seinem Tod hinterlassen. Howard will einen gigantischen Film drehen, heuert hunderte Piloten an und dreht epische Luftschlachten. Er holt einen Meteorologen (Ian Holm) an Bord, der ihm die richtigen Wolken besorgt, damit die Szenen dramatischer wirken. Als der Film nach viel zu langer Drehzeit endlich fertig ist, ordnet Hughes einen kompletten Neu-Dreh an: Die Tonfilm-Ära ist da und "Hell's Angels" soll nun mit Sound ausgestattet sein. Als neue Hauptdarstellerin heuert er Jean Harlow (Gwen Stefani) an. Hughes macht sie zum Star und zum ersten Starlet in seinem Leben.

Als der Film 1930 endlich in die Kinos kommt (Hughes liess ihn später sogar noch kolorieren) spielte er Unsummen ein, doch die unglaublichen Produktionskosten von 3.8 Millionen Dollar holte er nie rein. Die erste von Hughes' Fehlkalkulationen, die seinen Finanzchef Noah Dietrich (John C. Reilly) fast in den Wahnsinn treiben. Doch der junge Lebemann feiert auch Erfolge. Er baut eine Flugzeug-Firma auf und lanciert mit seiner Hughes-Filmgesellschaft Hits. Privat läuft alles bestens, als er die Schauspielerin Katharine Hepburn (Cate Blanchett) erobert. Die beiden Hollywood-Aussenseiter ergänzen sich blendend. Doch als Howard berühmter wird als sie, trennt sie sich und schmiegt sich an Spencer Tracy. Fortan wird Howards Zwangsneurose immer dramatischer. Er bekommt einen Putzfimmel, fasst nichts mehr an, ohne gleich die Hände zu waschen. Er hat Mühe, die Gedanken beeienander zu halten und wird paranoid. Halt gibt ohm kurzfristig die Schauspiel-Diva Ava Gardner (Kate Beckinsale). Er kauft TWA auf und rüstet zum Kampf gegen Pan Am. Deren Boss Juan Trippe (Alec Baldwin) holt einen Senator (Alan Alda) auf seine Seite und erklärt Hughes den Luftkrieg.

Was so umwerfend ist an "The Aviator" ist der Wiedererkennungswert. Man hört von TWA, von Pan Am, von Kate Hepburn, von Errol Flynn (Jude Law) und Studioboss Louis B. Mayer, von der Constellation, der DC-4, der "Spoose Goose", von Lindbergh, "The Jazz Singer" und Boeing - die Vermischung von Aviatik, Business, Politik und Hollywood erzeugt einen Querschnitt durch zwanzig Jahre Amerika (1927-47) an der Westküste. Howard Hughes steht dabei stets im Zentrum und man staunt über seinen Intellekt, seine Visionen und seine Errungenschaften. Aber eben auch darüber, wie krank er war. Dass er die letzten zwanzig Jahre seines Lebens eingeschlossen in Einsamkeit verbrachte, klammert Scorsese deshalb auch aus und konzentriert sich auf den spannenden Teil, der mit dem Flugversuch der "Spruce Goose" Hughes H-4 Hercules endet, bei dem Howard Hughes natürlich selbst am Steuer sass. What a man.

Die Dramaturgie ist ziemlich üblich für ein Biopic, doch zum einen zahlt sich aus, dass Scorsese sich auf wichtige Eckdaten beschränkt und er diesmal im Gegensatz zu Gangs of New York nur ein Thema hat, eine Story, einen Mann. Dadurch entsteht eine dramaturgische Sogwirkung, die die 160 Minuten im Flug vergehen lässt. Katastrophen folgen auf Durchbrüche, Filme auf Romanzen, Krankheiten auf Wochenshows. Wirklich ein geniales Lebens-Panorama. Robert Richardson, der den Job von Scorsese-Veteran Michael Ballhaus übernimmt, setzt dieses in brillanten Bildern um. Manchmal erkennt man die CGI-Effekte gut als solche, doch Richardson weiss, wie man lange Biopics aufregend hält - nicht zuletzt wegen "JFK", den er mit seinem Lieblingsregisseur Oliver Stone gedreht hat. Ebenso wichtig für die Atmosphäre ist die Musik, komponiert von "Lord of the Rings"-Musiker Howard Shore. Sein Mix aus Jazz, Lounge-Musik, Klassik und Score passt wie die Faust aufs Auge.

Doch all dies würde nichts nützen, wenn die Akteure nicht liefern. Aber genau das tun sie. Leonardo DiCaprio, Scorseses neuer De Niro, ist in beinahe jeder Szene. Er hat am Anfang das richtige Alter, später wirkt er etwas zu jung - doch das ist egal, weil er den Charakter kappiert hat und ihn perfekt auf die Leinwand bringt. Klar ist es noch Leo und man erkennt ihn eigentlich immer, doch der Drive, den er entwickelt, ist ansteckend. Eine seiner bisher besten Rollen. An die Wand gespielt wird er von Cate Blanchett. Die momentan zu den drei besten Schauspielerinnen der Welt gehörende Cate schlüpft mit dem ersten Satz in die Haut ihrer Namensvetterin. Sie sieht nicht aus wie Hepburn, aber sie spricht wie sie, bewegt sich wie sie, strahlt wie sie. Jede Szene mit ihr ist genial, aber besonders clever (auf vielen Ebenen) ist Howards erster Besuch bei Hepburns sozialistisch-intellektuellen Eltern. Können wir die "Oscar"-Zeremonie einfach auslassen und ihr die Statue übergeben? Ja? Sie hats verdient. Wahrhaft das Herz und die Seele der ersten Filmhälfte. Diese vermisst man in der zweiten, denn Kate Beckinsale entwickelt nicht annähernd das selbe Charisma. Sie spielt okay und hat eine zärtliche Szene, in der man nicht sicher ist, on Hughes sie sich nur einbildet - aber neben Cate spielt sie zweite Geige. Das gilt auch für die anderen Frauen. Hughes beinahe pädophile Leidenschaft für junge Frauen wird nur angeschnitten und wenn etwas aus dem Epos hätte raus können, wäre es dies - denn das Thema kann nie entafltet werden und bringt die Dynamik der Erzählweise etwas ins stottern.

Bei den Männern können neben Leo eine Reihe von Stars glänzen. Jude Law und Willem Dafoe absolvieren zwei witzige Cameos, der immer tolle John C. Reilly überzeugt und Alan Alda spielt mit süffiger Diabolik. Doch der coolste ist Alec Baldin. Als Pan-Am-Chef ist er ein Tyrann und versteckter Sadist. Eine fantastische Performance, die ihm nach "The Cooler" gleich noch eine Oscar-Nomination einbringen könnte. Zudem hat er einen der besten Schlusssätze der Filmgeschichte. Einfach treffend, kurz und voller Innbrunst.

Dank blendenden Akteuren, solider Erzählweise und technischer Brillanz - aber vor allem wegen einem Thema, das von Beginn weg episch, dramatisch und abenteuerlich ist - gelingt Martin Scorsese sein bester Film seit langem. Mag sein, dass er auf Auszeichnungen aus ist, aber die Passion, die er fürs Thema entwickelt, ist unübersehbar. Er baut Howard Hughes ein Monument, lässt dabei ein paar Errungenschaften aus, aber wir sehen die Vision und die Willenskraft dieses unglaublichen Mannes. Auf der anderen Seite zeigt Marty einen gebrochenen Kerl, einen Mann am Abgrund. Was genau Hughes ausmachte, antrieb und letztendlich vernichtete, das kann auch dieser Film nicht völlig lösen. Das konnte eh noch keine Biografie. Dafür ist der Mann wohl zu komplex. Aber Scorsese gibt uns eine plausible Sicht der Dinge, ebenso emotional wie objektiv. Er gibt uns Luftfahrt-Abenteuer, Hollywood-Intrigen und Politik. Dazu natürlich das Bild einer hochinteressanten Figur ohne besserwisserischen Anspruch auf deren Dekonstruktion. Oder einfach gesagt: Ein etwas langer, aber enorm fesselnder und detailverliebter Film und einen der faszinierendsten Personen des 20. Jahrhunderts.

 


page created: 22.12.04  ~  last updated 22.12.04

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